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Bekker, Ernst Immanuel; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1912, 8. Abhandlung): Das Recht als Menschenwerk und seine Grundlagen — Heidelberg, 1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.32883#0008
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E. I. Bekker :

haltigkeit seines Inhalts aber ist noch häufig verkannt. „Die
Umwelt^ die ich sehe, existiert“, sie ist nicht bloß von mir er-
träumt; darin liegt nicht nur die Anerkennung eines mir mit den
Stücken der Urnwelt gemeinsamen Daseins, sonclem zugleich clie
der Mehrheit und der Verschiedenheit unter sich (Ich und Nicht-
ich), dieser existierenclen und also „wirklichen“, uncl, wie Helm-
holtz meint, „wirksamen“ Dinge. AVeiter: die Umwelt, da ich
sie wahrnehme, wirkt auf mich; ich erhalte durch clie AVahr-
nehmung in meinem Innern ein Bild von ihr, ein Bilcl, clas dem
clie AVahrnehmung veranlassenclen Etwas entspricht, wie üher-
haupt das Bild dem Abgebilcleten zu entsprechen vermag. Uncl
noch mehr: auch mein Urteil tritt in Tätigkeit, ich überzeuge
mich von cliesem Entsprechen, clem Zutreffen meines Bildes,
darum heiße ich dieses „wahr“, uncl vermeine clamit nun auch
clas wirkliche Etwas geistig ergriffen, d. h. „erkannt“ zu haben,
von dem die clas Bilcl zeugencle Einwirkung auf meine Sinne
ausgegangen ist. Das Produkt cler zutreffenclen Erkenntnis aber
heißen wir „wissen“, uncl wer clas menschliche AVissen über-
haupt zu leugnen wagt, leugnet damit zugleich clies unser zweites
Axiom und hegibt sich damit auf clen unfruchtbaren Traum-
boclen, der auch von clen alten Skeptikern wohl kaum anclers
denn als neckische Spielerei benutzt wurde.
Schwieriger als das Dasein ist clie Beschaffenheit cles mensch-
lichen AVissens zu erfassen. „AVahr“ nennen wir das Produkt
des zutreffenden Erkennens uncl beschränken das „AVissen“ auf
eben dies Gebiet des als wahr Erkannten. Selbstverständlich,
daß diesem zutreffenden Erkennen „kein unzutreffendes Er-
kennen“ gegenüberzustellen, wohl aber zu bemerken ist, claß
die „zutreffende“ oder „zuverlässige“ und die „genaue“ detail-
lierte Kenntnis weit voneinander verschieclene Dinge sincl, was
n'och häufig, zumal von uns Juristen, übersehen wird. xAlle wirk-
lichen Dinge sind so reich geschaffen, daß jedes menschliche
AVissen von ihnen stets lückenhaft bleibt, und daß regelmäßig,
je genauer (mehr Details umfassend) die Kenntnis von ihnen
wird, desto deutlicher clie Lücken hervorspringen, mit andern
AA^orten, desto mehr zu fragen ist. Es wird kaum der Belege
bedürfen; sonst erinnere man sich, wie viel Neues seit der Ab-
fassung von Hmnboldts Kosmos entdeckt ist, und wieviel mehr
wir eben deshalb von den dort hehandelten Dingen zu fragen
wissen. Nur eine Art cler „Genauigkeit“ scheint fast unent-
 
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