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Bekker, Ernst Immanuel; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1912, 8. Abhandlung): Das Recht als Menschenwerk und seine Grundlagen — Heidelberg, 1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.32883#0025
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Das Recht als Menschenwerk und seme Grundlagen.

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den Gestirnen ihren Lauf vorzuschreiben, ist nicht bloß leicht-
fertig, sondern auch gefährlich, da uns allen die Überhebung
nur zu nahe liegt. Die Rückwirkungen aber sind weseirtlich ver-
schieden: neues Wissen pflegt uns innerlich wenig zu erregen,
mehrt aber unser Können der Außenwelt gegenüber, bisweilen
auch im Gebrauch der eigenen Kräfte.
Alle nützlichen Erfmdungen heruhen auf irgendwelchem
Gewußten, wogegen ein felsenfester Glauben uns weder den
Stein der Weisen noch das Perpetuum mobile erbracht ha.t. Der
Glauben wirkt ausschließlich auf den Glauhenden selher, aber
auf diesen freilich nicht selten stärker als jedes Wissen, dann
zumal, wann er sich auf Dinge bezieht, für die uns das Wissen
versagt ist. Er wirkt auf das Gemüt, und durch dieses gelegent-
lich auf die ganze im Menschen schlummernde Energie. So
treibt er den Gläubigen zu einer Entfaltung seiner eigenen
Kräfte, die demselhen Menschen ohne diesen anregenden
Glauben allezeit versa.gt geblieben wäre, und befähigt ihn in oft
überraschender Weise, den eigenen Glauben auch anderen ein-
zuimpfen. Aber auch die Forderung, welche das Wissen uns
gewährt, will richtig bemessen sein: der alte Spruch „Wissen
ist Können“ ist nicht wahr. Wie schon bemerkt, wirkt direkt
auch das Wissen nie auf sein Objekt, und wenn der Mensch sich
einer gewissen Herrschaft über die an die Erde gebannten
Kräfte berühmen darf, so vermag er doch nichts an deren durch
Naturgesetze festgelegten Lauf zu ändern. Aus dem Wisseii
schöpft, er nur die Anleitung, wie er die eigenen Kräfte zu be-
nutzen habe, um Vorteile aus den Bewegungen der ihm fremden
Kräfte zu ziehen. Ohne den Besitz dieser seinem eigenen Wiilen
unterworfenen Kräfte wäre keine Iierrschaft zu erlangen ge-
wesen, trotz allem Wissen. Nun aber vermag er durch seine
eigenen Bewegungen auch die Träger der fremden Energien zu
bewegen und in solche Beziehungen zueinander zu hringen, daß
nach den maßgebenden Naturgesetzen die erwünschten Folgen
ins Leben treten, die Arbeit geleistet wird, welche der Wissende
bei seinem durch das Wissen geregelten Tun bezweckte.
Wissen und Glauben können als gute Kameraden zu-
sammenhalten. Der voraneilende Glauhen weist vielfach hin auf
die Dinge, die wissenswürdig sind; tritt später das Wissen ein,
so räumt er gelegentlich willig den Platz. Er kann sich auch ganz
in den Dienst der Wissenschaft stellen und als Hypothese zum un-
 
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