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Bekker, Ernst Immanuel; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1912, 8. Abhandlung): Das Recht als Menschenwerk und seine Grundlagen — Heidelberg, 1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.32883#0028
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E. I. Bekker :

Prozeß scheint sich auch in cler Jurisprudenz zu vollziehen. Wie
in der Medizin, strebt bei uns das Wissen danach, dem Glauben
mehr und mehr Boden abzugewinnen; doch zurzeit noch mit
geringerem Erfolge.
Noch sind zwei Feincte zu bekämpfen, der Determinismus
und eine Gruppe von Lehren, die sich unter dem Namen der
„naturrechtlichen Doktrin“ zusammenfassen läßt. Wider den
Determinismus bedarf es nach dem hereits Ausgeführten nur
noch weniger Worte. Stolz und bescheiden hat er sich auf
cias Gelehrtenstübchen zurückgezogen, ohne von hier aus erheb-
lichen Einfluß auf den gemeinen Verkehr, sei es des bürger-
lichen oder des öffentlichen Lebens, einschließlich des Verkehrs
der Staaten untereinander, oder auf die Rechtspflege zu üben.
Nicht zu leugnen, daß er als Anleiter zur Indolenz und Vor-
frucht des Pessimismus einzelnen clas Leben vergällt hat, aber
die meisten imachen doch an dem entscheidenclen Punkte, wo der
Determinismus sie rettungslos verclerben würde, Halt, uncl ge-
trösten sich, daß', wenn auch ihr Determinismus cler Wahrheit, ent-
spreche, man im Leben doch dem Indeterminismus Konzessionen
machen müsse, wie sie eben präclestiniert seien. Wie cler
Pessimist zugleich Feinschmecker sein kann, so wird der Deter-
minist sich selten das Hochgefühl versagen, claß er selber
etwas gut gemacht hahe, iiesser, als irgenclein anclerer vermocht
liätte. Uncl ebenso wird er schwer darüber hinaus kommen,
anclereri zu verdenken, was sie ihm Böses getan, er wird unter
dem Banne des Scheins von ihrer Schuld stehen und nieht, was
sie getan, einfach cler präclestinierenclen Allmacht zurechnen.
Ebenso steht es mit cler Rechtspflege, Lehre und Übung.
Noch nie ist ein Gesetzgeber darauf verfallen, ein Recht ohne
Soll aufzuerbauen; niemals hat ein Dozent zu lehren gewagt,
daß clas Recht keine Pflichten kenne. Alle Versuche, den Deter-
minismus mit irgendwelcher nicht fiktiven Moral zu versöhnen,
laufen darauf liinaus, die Marionette für ihre Drähte verant-
wortlich zu machen. Selbst clie modernste Dichtkunst spielt
wohl mit dem Determinismus und führt uns zuweilen clie aus
ihm erwachsenden Gefiihle und Stimmungen vor; an clie Reize
cler Darstellung eines rein passiven Lebens, richtiger Gelebt-
werdens, aber hat sie sich doch noch nicht gewagt.
Ganz anders, wann wir clen Kampf wider clen naturrecht-
lichen Irrglauben aufnehmen: hier ist von vornherein einzu-
 
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