Metadaten

Bekker, Ernst Immanuel; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1912, 8. Abhandlung): Das Recht als Menschenwerk und seine Grundlagen — Heidelberg, 1912

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.32883#0032
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
3 “2

E. I. Bekker :

liichts. In zahllosen ineinander fließenden Arten und Abarten
erwachsen aus der Familie Stämme, Völkerschaften, Völker,
Staaten und neben der Reihe dieser den höchsten Zwecken zu-
strebenden Verbände nicht weniger zahlreiche andere, die sich
an enger begrenzten Erfolgen genügen lassen, je nach dem
Geiste der Zeiten verschiedenen, im Mittelalter zumeist religiösen,
in der Gegenwart überwiegend wirtschaftlichen.
Um sich auf die Dauer zu erhalten, bedarf die geistige
Oberhoheit des ganzen Verbandes über seine einzelnen Glieder
einer körperlichen Grundlage; er bedarf der ,,0rgane“, mensch-
licher Ivräfte, die ihn willensfähig und damit auch handlungs-
fäliig machen. Neben diesen Organen aber bedarf der Verband
auch einer festen Ordnung, schon um die Schaffung der Organe,
ihr dem Verbande dienendes Wollen und Handeln sowie ihre
Stellung zu den anderen Verbandsgliedern, und zugleich auch
das vom Verbande zu erfordernde Tun der abhängigen Ver-
bandsglieder nach den Verbandszwecken zu regeln. Diese Ord-
nung heißen wir Recht.
Ziehen wir die Summe. Im Menschen lebt der natürliche
Trieb zum dauernden friedlichen und darum geordneten Zu-
sammenleben mit seinesgleichen. Da der Menscli zugleich ein
denkendes Wesen ist, zwingt dies Zusammenleben zum Aus-
tausch der Gedanken, und um diesen zu ermöglichen, zur lder-
stellung der Sprache. Dauerndes Zusammenleben derselben Per-
sonen führt ebenso naturgemäß zur Herstellung der Verbände,
in denen der Gedanke herrscht, daß die Gesamtheit der Ver-
bundenen über den einzelnen stehe, und daß diese innerhalb
eines kleineren oder größeren Ivreises von Angelegenheiten, der
Gesamtheit eventuell zu erzwingenden Gehorsam schulde.
Reichste Fülle derartiger Verbände, zum Teil mit weit aus-
einander liegenden Zwecken und Mitteln, dann aber auch
wieder so nahe aneinander grenzend, daß jede schärfere Schei-
dung willkürlich erscheint. Überall aber führt die gesunde Ent-
wicklung nach einiger Zeit zu einem „primus inter pares“, der
über allen anderen stehen will, mehr verspricht und mehr
fordert als irgendein anderer. Aber auch zum Staat. führt nur
ein gleitender Übergang, wie ähnlich auch der Staat der Gegen-
wart ganz allmählich noch zum Staat der Zukunft sich aus-
wachsen mag. Tn diesem Sinne isl der „Staat“ ein relativer Re-
griff, dessen konkrete Repräsentanten in der Wirklichkeit dem
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften