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Friedrich Pfister:
erklären liaben, lediglich auf Grund jüdischer Zeugnisse beant-
worten, nämlich, um gleich die Antwort zu geben: auf Grund der
jüdischen apokalyptischen Literatur. Hier finden wir die An-
schauung verbreitet, die dann auch in die christliche Literatur
überging, daß das Reich Alexanders in vier Teile auseinander-
fallen und von vier Diadochenreichen abgelöst werde. Diese
Meinung geht für uns auf die Prophezeiung des alttestamentlichen
Buches Daniel zurück. Hier wird im achten Kapitel geweissagt
von dem einhörnigen Ziegenbock, der den zweihörnigen Widder zer-
tritt, und von den vier kleinen Hörnern, die an die Stelle des zer-
brochenen einen Hornes treten werden. Und im elften Kapitel
ist von dem mächtigen König die Rede, dessen Reich, wenn seine
Macht aufs höchste gestiegen ist, zerbricht und sich in die vier
Winde des Himmels zerteilt.
Dies ist die Grundlage der bei den Juden wie bei den alten
christlichen Erklärern und bei den Orientalen allgemein herr-
schenden Vorstellung, daß nach Alexanders Tod AÜer Nachfolger
sich in das Reich teilen 1. Und zwar wird hier diese Vierteilung
in ganz ähnlicher Weise vorgenommen wie in unserm Text; nur
ist zu beachten, daß hier der vierte Diadoche nicht genannt ist,
da Alexander noch lebt und erst am Beginn seiner Laufbahn
steht: Alexancler behält selbst Makedonien. Ptolemaios, An-
tiochos und Seleukos werden, wie in unserm Text, so auch z. B. in
der aus dem 13. Jahrhundert stammenden arabischen Chronik
des Abul-Pharagius genannt 2. Der Danielkommentar des Hippoly-
1 Vgl. Ernst Sackur, Sibyllinische Texte und Forschungen 1898, 31 ff.
-— Vgl. auch die „Teilkönige“, deren Herrschaft nach orientalischer Ansicht
die Zeit zwischen Alexander und dem Sassanidenreich ausfüllt, worüber
Nöldeke, Denkschriften der Wiener Ak. XXXVIII (1890) 41 f. —Auch nach
1 Makk. 1, 6 verteilt Alexander noch zu seinen Lebzeiten das Reich unter
seine TualSet;.
2 Hist. compend. Dynast. Gregorii Abul-Pharagii, ed. Pocockius (1663)
p. 62: Post Alexandri mortem regna inter se partiti sunt quatuor ex ipsius servis,
Ptolemaeus Lagi filius, Aridaeus, Antiochus et Seleucus. Vgl. Michael
Syrus, traduit par V. Langlois (1868) p. 77: Ses quatre favoris se parta-
gerent ses dtats, et la prophetie annongant que le bouc des chevres combattrait
le belier Darius fut accomplie (d. h. die Offenbarung Daniels). Une corne
tornba et fuit remplacee par quatre cornes, c’est-ä-dire par les quatres amis
d’Alexandre. Vgl. Excerpta Lat. Barb. p. 316 sq. ed. Frick: Filippum
fratrem suum Macedoniae regnum, Antigonum autem Asiae reliquit regnare,
Filippum vocatum Ptolemaeum omnem Aegyptum precepit regnare, Seleucum
autem quem et Nicanorem Syriam omnem iussit regnare. Ferner die Apokalypse
Friedrich Pfister:
erklären liaben, lediglich auf Grund jüdischer Zeugnisse beant-
worten, nämlich, um gleich die Antwort zu geben: auf Grund der
jüdischen apokalyptischen Literatur. Hier finden wir die An-
schauung verbreitet, die dann auch in die christliche Literatur
überging, daß das Reich Alexanders in vier Teile auseinander-
fallen und von vier Diadochenreichen abgelöst werde. Diese
Meinung geht für uns auf die Prophezeiung des alttestamentlichen
Buches Daniel zurück. Hier wird im achten Kapitel geweissagt
von dem einhörnigen Ziegenbock, der den zweihörnigen Widder zer-
tritt, und von den vier kleinen Hörnern, die an die Stelle des zer-
brochenen einen Hornes treten werden. Und im elften Kapitel
ist von dem mächtigen König die Rede, dessen Reich, wenn seine
Macht aufs höchste gestiegen ist, zerbricht und sich in die vier
Winde des Himmels zerteilt.
Dies ist die Grundlage der bei den Juden wie bei den alten
christlichen Erklärern und bei den Orientalen allgemein herr-
schenden Vorstellung, daß nach Alexanders Tod AÜer Nachfolger
sich in das Reich teilen 1. Und zwar wird hier diese Vierteilung
in ganz ähnlicher Weise vorgenommen wie in unserm Text; nur
ist zu beachten, daß hier der vierte Diadoche nicht genannt ist,
da Alexander noch lebt und erst am Beginn seiner Laufbahn
steht: Alexancler behält selbst Makedonien. Ptolemaios, An-
tiochos und Seleukos werden, wie in unserm Text, so auch z. B. in
der aus dem 13. Jahrhundert stammenden arabischen Chronik
des Abul-Pharagius genannt 2. Der Danielkommentar des Hippoly-
1 Vgl. Ernst Sackur, Sibyllinische Texte und Forschungen 1898, 31 ff.
-— Vgl. auch die „Teilkönige“, deren Herrschaft nach orientalischer Ansicht
die Zeit zwischen Alexander und dem Sassanidenreich ausfüllt, worüber
Nöldeke, Denkschriften der Wiener Ak. XXXVIII (1890) 41 f. —Auch nach
1 Makk. 1, 6 verteilt Alexander noch zu seinen Lebzeiten das Reich unter
seine TualSet;.
2 Hist. compend. Dynast. Gregorii Abul-Pharagii, ed. Pocockius (1663)
p. 62: Post Alexandri mortem regna inter se partiti sunt quatuor ex ipsius servis,
Ptolemaeus Lagi filius, Aridaeus, Antiochus et Seleucus. Vgl. Michael
Syrus, traduit par V. Langlois (1868) p. 77: Ses quatre favoris se parta-
gerent ses dtats, et la prophetie annongant que le bouc des chevres combattrait
le belier Darius fut accomplie (d. h. die Offenbarung Daniels). Une corne
tornba et fuit remplacee par quatre cornes, c’est-ä-dire par les quatres amis
d’Alexandre. Vgl. Excerpta Lat. Barb. p. 316 sq. ed. Frick: Filippum
fratrem suum Macedoniae regnum, Antigonum autem Asiae reliquit regnare,
Filippum vocatum Ptolemaeum omnem Aegyptum precepit regnare, Seleucum
autem quem et Nicanorem Syriam omnem iussit regnare. Ferner die Apokalypse