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Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]; Junker, Heinrich F. J. [Bearb.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1914, 14. Abhandlung): Drei Erzählungen auf Yaynā̄bī — Heidelberg, 1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.33317#0004
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Heinrich F. J. Junker:

geringer Geschicklichkeit bedarf, die Leute vorn persischen Vorbild
loszulösen und ihnen Sinn und Zweck der an sie gestellten Fragen
derart nahe zu bringen, daß sie ihren Schatz an Redewendungen
herausgeben. (3) Wenn man Übersetzungen ganzer neupersischer
oder tijlklscher Stücke erlangen will, ist die Kunst des Lesens und
Schreibens bei dem Gegenstancl sprachwissenschaftlicher Aufmerk-
samkeit notwendige Voraussetzung. Denn Satz für Satz vorzulesen
und in seinen Teilen übersetzen zu lassen, ermüdet ungeschulte
Leute erfahrungsgemäh in aller Kürze; macht es doch geschulten
Schwierigkeit, länger als höchstens zwei Stunden den Geist zu
sammeln. Das Ergebnis solch zerhackten Arbeitens ist überdies
bestenfalls eine bloße Wortumsetzung. (4) Selten geben clie Leute
kurze Erzählungen von sich, sei es, dah sie sich über Erpressungen
und Ungerechtigkeiten der ihnen verordneten Behörden beklagen,
den Verlauf eines besonderen Ereignisses, etwa eines Festes, wieder-
geben, oder eine ihrer geläufigen Beschäftigungen beschreiben. In
jedem Fall sind es höchst nüchterne, schmucklose Aufzählungen,
denn die Bedürfnisse der Einbildungskraft sind bei den Yaynabl
gering. Ihre geistige Lebendigkeit scheint sich mit Humor und Witz,
wofür sie ein f'eines Empfinden haben, nncl in cler Betätigung einer
natürlichen Liebenswürcligkeit zu erschöpfen.

3. Unter diesen Umständen ist jedes sprachliche Denkmal
von Wert und besonders dann, wenn man als feststehend erachten
muJs, daß von dem Yaxnäbi in nicht gar zu ferner Zeit so gut wie
nichts rnelir vorhanden sein wird, da diese Sprache immer mehr
dem Einfluh des täjikischen Persisch verfällt, der durch das zu-
nehmende Einheiraten täjikischer Frauen unbegrenzt sein wircl. Ist
es doch schon jetzt eine Tatsache, clie man leicht beobachten kann,
daß es Yapnäblkinder gibt, cleren Sprechlage so verändert ist, claß
sie nicht mehr imstande sincl, ein ihnen eindringlich vorgesagtes
geschlossenes -e-, das den Alten nocli ganz geläufig ist, nachzu-
sprechen. Sie ersetzen es durch das persische -i- ihrer Mütter.
Mit diesen kommt nicht nur die Sprache, sondern auch clie Kultur
der Ebene in das abgelegene Tal, uncl gerade die Mütter sincl es
auch, die einen Schatz von Erzählungen uncl Geschichten mitbringen,
der — zumal während der stillen Wintermonate, wo mächtige Schnee-
massen die Pässe und Wege zwischen den Siedlungen versperren
und jeclen Verkehr unterbinden -— unter clie Kinder uncl Männer
am Yapnäb gelangt. Daher clie befremdliche Erscheinung, dafi man
während cles Winters %ich die Zeit mit Erzählen tljikischer und
 
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