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Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]; Aly, Wolfgang [Oth.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1914, 2. Abhandlung): Mitteilungen aus der Freiburger Papyrussammlung: 1. Literarische Stücke — Heidelberg, 1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.33295#0046
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46 Mitteilungen aus der Freiburger Papyrussammlung I.

dem freilich alle Grazie und inhaltliche Bedeutsamkeit geschwunden
wäre. So verflacht und rhetorisch stilisiert ist die neue Kunstform
schon wieder. Und doch müssen wir in dieser Zeit in dem Ein-
dringen des Dialogs in die Geschichtschreibung eine Nachwirkung
der neukynischen Kunst Lukians erkennen. Freilich ist sie in der
ihr nicht passenden Atmosphäre alsbald stark entartet und das
nicht ohne Grund; denn es würde lieißen, die Stillosigkeit etwas
weit treiben, wenn man den ruhigen Fluß der historischen Dar-
stellung, wie er wenigstens bei Dio Cassius fließt, durch ein mimus-
artiges Gespräch unterbrechen wollte. Schon durch seine größere
Breite würde es nur störend wirken. Anders würde sich freilich
das Verhältnis in einer stark pathetisch ausgebauten Erzählung
gestaitet haben. Aber das gmg über die Kraft dieses Spätlings.
So geht der historisclie Dialog wieder ein, ein später Versuch,
das historische Schauspiel, um das sich einst Phrynichos und
Aischyios und dann in Bom dieVerfasser der Praetexta gemülit
hatten, zu beleben.

Aber es gibt noch einen Zweig, der es zu etwas mehr Bedeutung
gebracht hat. Scheinbar unmittelbar aus der Praxis, aus der Gegen-
wart hervorgewachsen, angebiich das Protokoll einer Gerichtsver-
handlung und doch eine literarische Form sind die heidnischen
und christlichen Märtyrerakten. Die ersteren als die älteren
können uns liier noch aliein beschäftigen, sie berühren sich mit
unseren Dialogen darin, daß sie durch Papyri des zweiten Jahr-
hunderts erhalten sind, vgl. Ad. Bauer im Arch. f. Pap. I S. 29.
Wir besitzen bisher drei Berichte über Verhöre alexandrinischer
Antisemiten vor den KaisernClaudius,Trajan und Commodus (Texte
in den Abh. d. Sächs. Gesellschaft XXVII Nr. 23,1909), die derForm
nach Protokolle sein wollen. Mit diesen teilen sie auch die Eigen-
tümlichkeit, um derentwillen wir hier an diese Stücke erinnert
werden, die beteiligten Personen zuweilen in direkter Rede einzu-
führen. In den sicher echten Protokollen, zu denen wir insofern
die Verhandlung vor Claudius rechnen müssen, als sie mindestens
nach einern wirklichen Protokoll gemacht ist, bildet sich diese
Mischform von Bericht und direkter Szene ganz von selbst; wollen
docb diese Verhandlungen kein Literaturprodukt sein. Uber die
Echtheit der Stücke hat sich eine längere Debatte entsponnen,
in der zuletzt U. Wilcken in den Abh. d. Sächs. Ges. d. Wiss.
XXVII Nr. 23 (1909) und R. Reitzenstein in den Heidelberger
Sitzungsberiehten von 1913 Nr. 14 das Wort ergriffen haben.
 
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