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E. I. Bekker.
führung des Verwaltungsrechts, bald nur als abschreckende Bei-
spiele erscheinen können; man gedenke der Yersuche, Religion
oder Sprache von staatswegen einzuzwängen.
VI.
Hält man an dem Gedanken des scharf begrenzten Rechtes
fest, Recht oder Nichtrecht, ,,tertium exclusum", so wird man sich
gezwungen sehen, dem heutigen Yölkerrecht den Charakter echtes
Rechts abzusprechen. Anders sobald wir auch im Rechte die Mög-
lichkeit des Mehr oder Weniger entdecken. Doch ist diese Rela-
tivität mit der, welcher Verbände und Staaten unterliegen, nicht
einfach kongruent und bedarf der Erläuterung.
Beim objektiven Rechte sind zwei Arten der Relativität zu
unterscheiden. Die eine erklärt sich aus dem geschichtlichen Werde-
prozesse. Bei jedem gesunden Volke unterliegt das werdende
Recht ständigen Wandlungen; es wächst und schwindet, bald mit
dem Wechsel der äußeren Lebensverhältnisse, bald unabhängig
von diesen mit der besseren Erkenntnis des eigenen Bedürfnisses,
was man vom Recht.e zu fordern hat. In Altrom Gewohnheits-
recht, zweifellos ständig wechselndes, von den Römern selher ,,ius
incertum" geheißen. Die Zwölftafeln sollen ius certurn schaffen,
aber in Wirklichkeit wird die Entwicklung jetzt nur noch frischer:
Magistrate und Richter, dann die Respondierjuristen, zuletzt die
Kaiser mit ihren Auditorien, ahe um die stete Fortbildung des
Rechts lehhaft bemüht. Und wieder bei den germanischen Stäm-
men, wie Cäsar und Tacitus sie geschaut, gewiß schon Anfänge des
Rechts, aber ebenso gewiß wesentlichVerschiedenes von dem, auf
was EiKE bei seinen Aufzeichnungen zu sehen hatte. Er selber
bewirkt mit dem Sachsenspiegel einen mächtigen Fortschritt, und
wieder ist das Sachsenspiegelrecht durch Lehre und Praxis bis in
die Gegenwart. herein umgestaltet worden. Das neunzehnte Jahr-
hundert hat viele neue Kodifikationen gebracht, doch nirgends
sehen wir, daß mit diesen die Rechtsentwicklung zum Stillstand
gekommen wäre; ganz im Gcgenteil wiederholen siclr die an den
Zwölftafeln und dem Sachsenspiegel gemachten Erfahrungen, nur
in geänderten Formen.
Die andere Art der Relativität aber beruht auf dem mensch-
lichen E'nvermögen, durchweg festes Recht zu schaffen. Beim
E. I. Bekker.
führung des Verwaltungsrechts, bald nur als abschreckende Bei-
spiele erscheinen können; man gedenke der Yersuche, Religion
oder Sprache von staatswegen einzuzwängen.
VI.
Hält man an dem Gedanken des scharf begrenzten Rechtes
fest, Recht oder Nichtrecht, ,,tertium exclusum", so wird man sich
gezwungen sehen, dem heutigen Yölkerrecht den Charakter echtes
Rechts abzusprechen. Anders sobald wir auch im Rechte die Mög-
lichkeit des Mehr oder Weniger entdecken. Doch ist diese Rela-
tivität mit der, welcher Verbände und Staaten unterliegen, nicht
einfach kongruent und bedarf der Erläuterung.
Beim objektiven Rechte sind zwei Arten der Relativität zu
unterscheiden. Die eine erklärt sich aus dem geschichtlichen Werde-
prozesse. Bei jedem gesunden Volke unterliegt das werdende
Recht ständigen Wandlungen; es wächst und schwindet, bald mit
dem Wechsel der äußeren Lebensverhältnisse, bald unabhängig
von diesen mit der besseren Erkenntnis des eigenen Bedürfnisses,
was man vom Recht.e zu fordern hat. In Altrom Gewohnheits-
recht, zweifellos ständig wechselndes, von den Römern selher ,,ius
incertum" geheißen. Die Zwölftafeln sollen ius certurn schaffen,
aber in Wirklichkeit wird die Entwicklung jetzt nur noch frischer:
Magistrate und Richter, dann die Respondierjuristen, zuletzt die
Kaiser mit ihren Auditorien, ahe um die stete Fortbildung des
Rechts lehhaft bemüht. Und wieder bei den germanischen Stäm-
men, wie Cäsar und Tacitus sie geschaut, gewiß schon Anfänge des
Rechts, aber ebenso gewiß wesentlichVerschiedenes von dem, auf
was EiKE bei seinen Aufzeichnungen zu sehen hatte. Er selber
bewirkt mit dem Sachsenspiegel einen mächtigen Fortschritt, und
wieder ist das Sachsenspiegelrecht durch Lehre und Praxis bis in
die Gegenwart. herein umgestaltet worden. Das neunzehnte Jahr-
hundert hat viele neue Kodifikationen gebracht, doch nirgends
sehen wir, daß mit diesen die Rechtsentwicklung zum Stillstand
gekommen wäre; ganz im Gcgenteil wiederholen siclr die an den
Zwölftafeln und dem Sachsenspiegel gemachten Erfahrungen, nur
in geänderten Formen.
Die andere Art der Relativität aber beruht auf dem mensch-
lichen E'nvermögen, durchweg festes Recht zu schaffen. Beim