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Bekker, Ernst Immanuel; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1915, 3. Abhandlung): Das Völkerrecht der Zukunft — Heidelberg, 1915

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https://doi.org/10.11588/diglit.34062#0022
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E. I. Bekker.

tatsächlich auf eigenen Füßen zu stehen, wih der Bürger die
Wirklichkeit kennen, in der er lebt. Also: Wehe dem, der lügt.
Derselbe demokratische Zug zur WAhrheit treibt ihn, im eigenen
Staate nichts zu sehen als Einen unter Gleichen, ebenso erfüllt
von dem stolzen Sinn, sich niemand zu unterwerfen, wie frei von
dem eiteln Gedanken andere unter der eigenen Oberherrschaft
halten zu können: ,,vestigia terrent^. Ein zurzeit noch gar fern
liegendes, aber doch, wie wir hoffen wollen, für das Menschen-
geschfecht nicht unerreichbares Ziel.

IX.

Wohin wir blicken, überall nur Wege von unermeßlicher
Länge, die zu dem angestrebten Ziele führen könnten. Mit äußerem
Zwange nichts zu erreichen, nur durch inneres Reifen der Staaten,
das wieder ohne Reifen der Völker undenkbar ist. Ein Etwas, das
nur langsam und allmählich geschehen kann, aber gleichwohl bisher
andauernd geschehen ist, und bei dem nicht abzusehen, weshalb
es jetzt einem Stillstand verfallen sollte, dessen Bedeutung unser
Weltkrieg illustriert. An den vorwärts treibenden Kräften fehlt
es der Gegenwart sicherlich nicht.
Um nur zweier höchst moderner zu gedenken: der Presse und
des Sozialismus, die freilich beide einstweilen noch überwiegend
widerstaatlichen Tendenzen folgen. Beide haben die Massen
geistig beweglicher gemacht, nnd da kann es nicht ausbleiben,
daß über lang oder kurz auch bei den Massen die gesunde Natur
durchbricht., das moralische Gefühl und der Intellekt, daß die zum
Zusammenleben gezwungenen praktisch besser miteinander als
gegeneinander auskommen. Wiederum wird auf den Umschlag
noch lange zu warten sein; bei einer Berechnung, welche in die
Jahrtausende zu gehen hat, von geringer Bedeutung.
Also denken wir uns nach Jahrtausenden den ganzen nutz-
baren Erdboden bedeckt von Staatsgebilden, die vorläufig zuein-
ander soweit in Beziehungen stehen, daß sie sich gegenseitig als
Staaten anerkennen. Wir meinen, daß dann mit gewissen Ände-
rungen dieselben Vorgänge sich wiederholen werden, welche einst-
mals die Einzelnen zu Verbänden zusammengeschlossen haben.
Gleichviel ob ein oder mehrere Staatensysteme sich bilden, die
Verbundenen erkennen den Verband an als ein geordnetes, nicht
 
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