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Schubert, Hans; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1916, 1. Abhandlung): Die sogenannten Slavenapostel Constantin und Methodius: ein grundlegendes Kapitel aus den Beziehungen Deutschlands zum Südosten — Heidelberg, 1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.34072#0015
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Die sogen. Slavenapostel Gonstantin und Methodius.

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Avanderter Sla\^en und einer kleinen, aber herrschenden Minderheit
eigenthcher Bulgaren, das heißt eines VoJkes ural-altaischer Ab-
stammung, wie die Hunnen und Avaren. Die Geschichte scheint
denen Recht zu geben, die behaupten, daß den Slaven trotz ahes
Reichtums ihrer Anlage eigentiich staatenbildende Iiraft abgeht:
rege Phantasie, Gemütstiefe und reizbare Intehigenz können
Aktivität und Schulung des Willens nicht ersetzen. In dem großen
Völkerbecken, den Steppen Südrußlands, hatten sie mit jenen
Völkernanderer Abstammung zusammengesessen. Alitihnen wurden
sie in Massen herübergespült, aber wenn hier größere Gebilde
entstehen, sindes jene nichtslavischenElemente, die sie zusammen-
schweißen: Hunnen, Avaren und nun Bulgarenh Und schon lauerte
hinter dem Karpathenwallem neues Volk mindestens zumTeil ural-
altaischer Abstammung, also den Bulgaren verwandt, die Magyaren,
als Vorposten einer neuen Völkerwelle; hinter ihnen im Süden
nach dem Schwarzen Meer zu, durch Mischung mit ihnen verwandt,
die Petschenegen, Iiumanen und Ghazaren, an deren Stelle später
das Tatarenreich zusammenwuchs, die eine Wurzel des großrussi-
schenReichs von Moskau; nachNorden in der Ukraine und weiter
eine neue slavische Gruppe, die sich aber von den schwedischen
Normannen Kriegerkaste und Herrschergeschlecht, die Waräger
oder Rös, entlehnen mußte^, um, zusammengefaßt im Reich von
Kiew, die andere Wurzel des heutigen russischen Reichs zu werden.
Damals aber handelte es sicli um den Streifen slavischer,
hezw. slavisierter Völker, die zwischen den beiden Kaiserreichen
der Franken und der Griechen saßen. Seit das Avarenreich durch
den großen Karl zertrümmert war, breiteten sich die slavischen
Massen in der ungarischen Ebene aus — die Bulgaren donauauf-
wärts, die Mährer nach Oberungarn zu. Ungarn mußte wie so oft
schon das Gebiet der Entscheidung werden. Sollte es zu dem
westlichen oder dem östlichen Kulturgebiet gehören ?
^ Samo, der im 7. Jahrh. ein rasch zerfallendes großmährisches Reich
g'ründete, gilt als Franke. Die Großreiche Sventopulks in Mähren und
Boleslavs in Polen, der ,,beiden größten westslavischen Herrscher und zu-
gleich einzigen weitsichtigen Politiker, die die Sammlung des ganzen
Westslaventums als Bollwerkes gegen das Yordringen der Deutschen aus
aller Kraft anstrebten, verschwanden 10 Jahre nach dem Tode ihrer
Begründer — dem unersetzlichsten Verluste für alle Slaven — für
immer aus der Geschichte", sagt BRücKNER, selbst Pole, S. 18, A. 1.
2 ,,Es war unter ihnen keine Gerechtigkeit, ein Geschlecht empörte
sich gegen das andere, und es war unter ihnen ein innerlicher Krieg";
 
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