H. Y. SCHUBERi:
Die Frage der Kulturzugehörigkeit war damais wie vielfach
ja auch heute noch die der Kultuszugehörigkeit, der Kirchenge-
meinschaft. Die slavischen Völker waren wie die Avarenreste,
die sie aufsogen, in der Hauptsache noch Heiden. Würden sie sich
für den fränkisch-abendfändischen oder den griechisch-orientali-
schen Typus des Christentums entscheiden ? Wie die Reiche, so
waren auch die Kirchentypen eben damals schärfer auseinander
getreten. Es waren die Tage des großen byzantinischen Patriar-
chen Photius.
Von beiden Seiten war man bereits vorgerückt. Schon zur
Zeit Karls, sofort nach der Vernichtung der Avaren hatte die
Slavenmission unter Arnos Oberleitung von Salzburg aus einge-
setzt; Aquileja und Passau flankierten. Arn 13. Januar 845, irn
selhen Jahr.e also, da Hamburg von den Normannen in Brand
gesteckt wurde, ließ Ludwig der Deutsche 14 böhmische duces,
die die christliche Religion begehrten, taufen, meldet der Fuldaer
Annalist^. Im Jahre darauf setzte er in Mähren Rastislav, den
christlichen Neffen des zweifelhaften Aloimir, zum Herzog ein.
Die Verhältnisse bfieben diesen Westslaven gegenüber politisch
und kirchlich unsicher, christianitas gentis Maraensium adhuc
rudis, heißt es 852^; von 855 an berichten die fränkischenAnnalen
vonfortwährendenHeerzügengegen Rastisfav^, derseine Herrschaft
sagt die älteste russische Ghronik, der sog. Nestor. Da sprachen sie alle:
,,Unser Land ist groß und hat an ailem Überfluß: es ist aber keine
Ordnung darinnen, kommt also zu uns, über uns zu herrschen und uns
zu besitzen" (Übers. v. J. B. ScHERER, Lpz. 1774, 8. 49). Der Franzose
ALFRED RAMBAUD aber meint in seiner ,Geschichte Russlands' (übers. v.
SiEiNEcn, Beri. 1891) 8. 45: ,,In die noch ungeordnete slavische Welt
trugen die Waräger die Grundsätze kriegerischer Kraft und Zucht, ohne
welche kein Staat möglich ist." Das geschah in der zweiten Hälfte des
9. Jahrh., 860 erschienen die Waräger schon vor Zaragrad, der Kaiser-
stadt Byzanz. Über den sogen. Nestor s. d. Exkurs I in MicH. HRUSEvsnYjs
Gesch. d. Ukrainischen (Ruthenischen) A'olkes 1, 633 ff. Lpz. 1906. Dieser
ruthenische Gelehrte lehnt die ,,Normannische Theorie" (s. Exk. II, S. 661 ff.,
vgl. 388 ff) vom Ursprung der Waräger und des Reiches von Kiew ab,
ohne überzeugen zu können, vgl. auch RAMBAUD S. 42 ff.
1 ed. FR. KuRZE p. 45.
2 Mainzer Synode v. 852, Mon. Germ., Leg. I, 414^g, Capit. II, 189^2;
DüMMLER, Gesch. d. ostfränk. Reichs^, I, 298.
3 855, 858, 861, 864, 865, 866, vgl. MüHLBAciiER, Regesten unter d.
Karol. S. 594ff.
Die Frage der Kulturzugehörigkeit war damais wie vielfach
ja auch heute noch die der Kultuszugehörigkeit, der Kirchenge-
meinschaft. Die slavischen Völker waren wie die Avarenreste,
die sie aufsogen, in der Hauptsache noch Heiden. Würden sie sich
für den fränkisch-abendfändischen oder den griechisch-orientali-
schen Typus des Christentums entscheiden ? Wie die Reiche, so
waren auch die Kirchentypen eben damals schärfer auseinander
getreten. Es waren die Tage des großen byzantinischen Patriar-
chen Photius.
Von beiden Seiten war man bereits vorgerückt. Schon zur
Zeit Karls, sofort nach der Vernichtung der Avaren hatte die
Slavenmission unter Arnos Oberleitung von Salzburg aus einge-
setzt; Aquileja und Passau flankierten. Arn 13. Januar 845, irn
selhen Jahr.e also, da Hamburg von den Normannen in Brand
gesteckt wurde, ließ Ludwig der Deutsche 14 böhmische duces,
die die christliche Religion begehrten, taufen, meldet der Fuldaer
Annalist^. Im Jahre darauf setzte er in Mähren Rastislav, den
christlichen Neffen des zweifelhaften Aloimir, zum Herzog ein.
Die Verhältnisse bfieben diesen Westslaven gegenüber politisch
und kirchlich unsicher, christianitas gentis Maraensium adhuc
rudis, heißt es 852^; von 855 an berichten die fränkischenAnnalen
vonfortwährendenHeerzügengegen Rastisfav^, derseine Herrschaft
sagt die älteste russische Ghronik, der sog. Nestor. Da sprachen sie alle:
,,Unser Land ist groß und hat an ailem Überfluß: es ist aber keine
Ordnung darinnen, kommt also zu uns, über uns zu herrschen und uns
zu besitzen" (Übers. v. J. B. ScHERER, Lpz. 1774, 8. 49). Der Franzose
ALFRED RAMBAUD aber meint in seiner ,Geschichte Russlands' (übers. v.
SiEiNEcn, Beri. 1891) 8. 45: ,,In die noch ungeordnete slavische Welt
trugen die Waräger die Grundsätze kriegerischer Kraft und Zucht, ohne
welche kein Staat möglich ist." Das geschah in der zweiten Hälfte des
9. Jahrh., 860 erschienen die Waräger schon vor Zaragrad, der Kaiser-
stadt Byzanz. Über den sogen. Nestor s. d. Exkurs I in MicH. HRUSEvsnYjs
Gesch. d. Ukrainischen (Ruthenischen) A'olkes 1, 633 ff. Lpz. 1906. Dieser
ruthenische Gelehrte lehnt die ,,Normannische Theorie" (s. Exk. II, S. 661 ff.,
vgl. 388 ff) vom Ursprung der Waräger und des Reiches von Kiew ab,
ohne überzeugen zu können, vgl. auch RAMBAUD S. 42 ff.
1 ed. FR. KuRZE p. 45.
2 Mainzer Synode v. 852, Mon. Germ., Leg. I, 414^g, Capit. II, 189^2;
DüMMLER, Gesch. d. ostfränk. Reichs^, I, 298.
3 855, 858, 861, 864, 865, 866, vgl. MüHLBAciiER, Regesten unter d.
Karol. S. 594ff.