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Soltau, Wilhelm; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1916, 6. Abhandlung): Das vierte Evangelium in seiner Entstehungsgeschichte dargelegt — Heidelberg, 1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.34077#0038
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WlLHELM SOLTAU:

schüler, dann der Presbyter (Aristion, Johannes) eine große und
ebenso wichtige Rolle gespielt haben soh, wie die schriftlichen
Aufzeichnungen der Apostel. Ganz offenbar hätte Papias hierauf
nicht ein so großes Gewicht gelegt, wenn die Berichte, die direkt
auf Johannes und die übrigen Apostel zurückgeführt wurden,
nicht später durch die mündliche Tradition ergänzt und erweitert
worden wären. Hier wiederholt sich also im wesentlichen alles
Einzelne: die Johanneischen Legenden (L), ergänzt zu G durch
synoptische Berichte, wie sie, vor allem durch mündliche Über-
lieferungen erweitert, zum Evangelium ausgestaltet worden sind.
Die Entstehung des vierten Evangeliums läßt sich demnach
graphisch wie folgt darstellen:
L(egende) nach mündlichen Berichten des Apostels Johannes;
ergänzt nach 80 durch
8(ynoptische Perikopen).
G(rundschrift) = L + S. Aus G entstand durch Zutaten einiger
antisynoptischer apokrypher Sagen und mancher Sprüche
aus den R(edestücken) nach mündlichen Mitteilungen der
Presbyter der Text des
Ev(angelisten) um 130.
lt wurde um 140 eingelegt. Gegen manche Ansichten von R wandte
sich I. Joh. capp. 1—2. Das auf diese Weise entstandene
kanonische vierte Evangelium erhielt durch den
C(ontinuator) nach 150 das cap. 21, sowie
I(nterpolationen) : 13, 23; 20, 2f.; wahrscheinlich auch cap. 11.
Erst nachdem so auf Grund der verschiedenen Quellen und des
verschiedenartigen Ursprungs der einzelnen Teile eine Entwick-
lungsgeschichte des vierten Evangeliums gegeben ist, kann für
seine einzelnen Teile auf die Verwandtschaft im Stil näher ein-
gegangen werden. Dabei ist zunächst klar, daß die Überarbeitung
von G durch Ev. eine gewisse Einheitlichkeit in Darstellung
und Stil ergeben hat. Je mehr ferner Ev. die Hauptgedanken
seiner Schrift aus R entnommen hat, desto stärker machte sich
der Eindruck eincr einheitlichen Abfassung geltend, zumal auch
die Legendenstücke Spuren der Üherarbeitung durch Ev. dar-
bieten. Iliermit ist zugleich auch eine Erklärung geboten für die
Verwandtschaft in Stil und Ideengehalt zwischen dem I. Joh.-
Brief und dem Evangelium. I. Joh. erwähnt in seinem zweiten,
 
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