Metadaten

Dove, Alfred; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1916, 8. Abhandlung): Studien zur Vorgeschichte des deutschen Volksnamens — Heidelberg, 1916

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34079#0005
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Studien zur Yorgeschichte des deutschen Yolksnamens.

5

seiner liebenswürdigen Anschauung gebrochen werden mußte.
Gerade das, was den besonderen Reiz seiner Lehre bildet, die
durch sie hin waltende Vorstehung von einem unbewußt oder
doch unwihkürlich schaffenden Gemeingeiste des Volkstums, hat
vieffach Einschränkung erfahren. Eben hierin ist ein ahzu starker
Wiederschein seiner eigenen naiven Genialität erkannt worden.
Jenen letzten Grund aller historischen Vorgänge, die heute wie
gestern zeugende Naturkraft, die sich gfeichsam irn Boden unter-
halb der Erscheinungen des Lebens ausbreitet, hat er nicht selten
gar zu unmittelbar zur Erklärung der letzteren hervorgehoben.
Ein tiefsinniges Verfahren, mit wefchem sich, wie am besten der
nahverwandte Naturalismus Goethes beweist, die poetisch gewal-
tigste, sinnlich bestimmteste Auffassung afles Einzefnen wohl
verträgt. Die geschic.htliche Begebenheit im engeren Sinne da-
gegen, welche bei weitem näher an der Oberfläch eder Dinge ver-
läuft, die nach Zeit und Raum gegliederte ursächliche Verkettung
des Wirklichen, kommt dabei leicht zu kurz^.
Aus dieser Erwägung wird unter anderem der Irrtum be-
greiffich, den JvKOB GRiMM bei der Auslegung unseres nationalen
Eigennamens beging^. Schon von außen angesehen mußte lhm ge-
rade dieser Name für ein Allerheifigstes gelten, ihm, der von sich
sagen durfte, daß er niemals irn Leben etwas mehr geliebt, als
i Ganz ebenso hat vom nämlichen historischen Standpunkt aus schon
vor mehr ais 40 Jahren H. v. SYBEL geurteilt: Entstehung des deutschen
Königtums S. 4, 2. Aufl. S. 5.
^ Für das Folgende vgl. J. GRiMM, Deutsche Grammatik D, Einleitung
S. lOff. Exkurs über Germanisch u. Deutsch. — Derselbe, Geschichte der
deutschen Sprache, 3. Aufl. S. 545ff. — Die Grundzüge seiner Theorie des
deutschen Namens hat GRiMM allerdings bereits vorgefunden; sagt doch
u. a. schon 1810 der Turnvater F. L. JAHN (Deutsches Volkstum S. 9) gerade-
heraus: ,,Namen und Sache war sonst Eins bei unseren Vorfahren; deutsch
heißt volkstümlich." AUein eine vollständige, streng begründete Theorie
hat doch eben erst GRiMM aus diesen Grundzügen entwickelt. Und so gilt
auch für diesen speziellen Fall das Urteil, welches ScnERER (AHg. deutsche
Biogr. IX, 678) epigrammatisch über den Meister im allgemeinen ausspricht:
,,Der Anfang und das Haupt der deutschen Altertumsforschung; er ist es
auch nach seinem Tode noch, der ideale Mittelpunkt, zu dem wir emporschauen.''
Deshalb muß eine Prüfung der heutigen Ansichten vom Ursprung und Wesen
des Namens 'deutsch' jedenfalls bis auf GRiMM zurückgehen, während sie
seine Vorläufer außer .Acht lassen darf. Nur beiläufig sei unter den letz-
teren wegen seiner historischen Besonnenheit F. Rüns genannt, der freilich
in der Hauptfrage gleichfalls irrt (Erläuterung der Schrift des Tacitus. Berlin
1821, S. lOOff.).
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften