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Dove, Alfred; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1916, 8. Abhandlung): Studien zur Vorgeschichte des deutschen Volksnamens — Heidelberg, 1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.34079#0019
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Studien zur Vorgeschichte des deutschen Yolksnamens.

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scheinen Sprache und Sage, Glaube und Sitte, Recht und Staat,
wofern man ein bescheidenes Maß politischer Einrichtungen so
nennen will, kurz das gesamte Leben und Treiben eines solchen
gens selber könnten auch wohl 'Land' oder 'Gegend' bedeuten. Sie ahnen
nicht, daß, wenn wir in Thüringen leben, Hessen annektieren, nach Polen
reisen, genau derselbe angebliche 'Sprachgebrauch' vorliegt, der vielmehr
ursprünglich gerade ein Denkgebrauch gewesen, und daß wir zu diesen ver-
meinten Ländernamen auf dem nämlichen Wege des Mißverständnisses ge-
langt sind, wie Iphigenie nach 'Tauris' kam. Auch die historisch-etymologische
Forschung aber sollte wenigstens prinzipiell daran festhalten, daß alte Länder-
namen aus A^ölkernamen zu erklären sind, nicht umgekehrt. Sehr mit Recht
versteht daher NissEN (Ital. Landeskunde I, 61 ff.) Italia als Land des Volks-
stammes der Itali (der 'Stierlinge'??), nicht als 'Rinderland'. Oft genug
zwar enthalten Gentilnamen geographische Beziehungen; Volksteile, die
in bestimmter örtlicher Lage — am Meer, an Flüssen, im Gebirge, in der
Ebene usw. —- zu selbständigen gentes erwachsen, vertauschen den ehemaligen
Gesamtnamen gegen neue, lokal gefärbte Stammesnamen, die sie anfangs
nur als Beinamen neben dem ersteren geführt. Das ist jedoch, wo es sich um
frühe Zeiten handelt, nicht so vorzustellen, als sei auf solchem Wege zunächst
ein nomen proprium des Landes und hernach erst hieraus das des Stammes
entwickelt worden. So kann z. B. Latium nur unter der Bedingung für älter
als Latini angesehen werden, daß man es als Appellativum faßt (mit der
Bedeutung etwa von 'Plattland' überhaupt, vgl. NissEN S. 520). Da sich
indessen hierfür kein Nachweis erbringen läßt, so ist noch sehr die Frage, ob
nicht Latini als gentile Originalbildung — wie Sabini, Hirpini, Vestini —
auf ein einfacheres Stammwort zurückgehe, Latium dagegen in Gestalt einer
jüngeren Ableitung von demselben Stamme hinterdrein als Landeseigenname
geschaffen sei. Tritt doch auch Samnium (das des Akzentes wegen schwer-
lich aus Sabinium entstand) in ähnlicher Weise neben Sanmites (= Sabini-
tes NissEN 528). Derivata vom fertigen Landesnamen Latium begegnen
nachher in Latiaris, Latiarius, Latialis; sie wären überflüssig gewesen, hätte
schon Latinus dieselbe Stellung eingenommen. Juppiter Latiaris ist bereits
der Landesgott; feriae Latinae als Volksfest entspräche einer sehr viel alter-
tümlicheren Denkweise. — Daß in dem sekundären Stadium mehr oder weniger
moderner Nationalentwicklung Völkernamen umgekehrt vielfach Länder-
namen zur Voraussetzung haben, ist bekannt. Wie Italiano aus Italia, so
entspringt auch Franpais, mag man es nun für Francensis oder Franciscus
nehmen, auf jeden Fall aus Francia (France) und geht somit bloß indirekt
auf Francus zurück (vgl. DiEz, Etym. Wtb. s. v. franco). Im Hintergrunde
steht jedoch auch hier ein alter Volksname. Dasselbe gilt vom Namen Bayern
(Baiuwarii) nach der wahrscheinlichsten Ableitung von Baia = Land der
(verschwundenen keltischen) Bojer, womit jedoch Böhmen (Boihaemum),
nicht etwa Bayern, das Land der definitiven Niederlassung des Stammes,
selber gemeint ist. Eine Warnung für Etymologen, bei geographischer Deu-
tung der Völkernamen nicht der Wanderungen zu vergessen und deshalb auf
die wirkliche Plattheit des 'PIattlandes' Latium nicht zuviel Gewicht zu
legen!

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