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Dove, Alfred; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1916, 8. Abhandlung): Studien zur Vorgeschichte des deutschen Volksnamens — Heidelberg, 1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.34079#0021
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Studien zur Yorgeschichte des deutschen Yolksnamens.

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am Ende zugrunde ging, daß es eine derartige Gestaltung, die wohl
vorübergehend hie und da hervortrat, nicht festzuhalten ver-
mochte; daß es m seiner staathchen Entfaltung zwischen städti-
scher Autonomie und völkerzerreibender Weltherrschaft den natio-
nalen Mittelweg verlor und den notwendig gemeinsamen Ausbau
von Zivilisation und Ivultur statt durch internationale Arbeits-
teilung vielmehr ahein durch Kosmopolitie, durch die einförmige
Verstaathchung der mittehändischen A^ölkerwelt, vohenden zu
müssen meinte^. Darum gewann die ursprünghch λωη der orien-

* A"gh den prächtigen Eingang zu RANKEs Geschichte der Päpste (P,
3f.), der in dem über das Römerreich ausgestoßenen Seufzer gipfelt: ,,Wie
ward die Erde plötzlich so öde an freien Yölkern!" Wenn es jedoch weiter
heißt, daß ,,aus dem Ruin unmittelbar ein neues Leben hervorging", die Idee
der Menschheit nämlich, die im Christentum ihren reinsten und wärmsten
Ausdruck fand, so hat das volle Wahrheit für die Geistesgeschichte, während
vom universalhistorischen Standpunkt aus diese Erscheinung treffender als
die letzte A'erklärung des antiken Lebens aufzufassen und das ,,neue Leben"
erst vom Siege der gentes zu datieren ist. — Ungemein nah berührt sich übri-
gens mit jener Stelle bei R.ANKE die schöne Einleitung zum 5. Buche der von
theologischem Pessimismus diktierten Historien des Orosius, wo zuerst die
Kehrseite der römischen Entwicklung — quam feliciter Rorna vincit, tam
infeliciter quidquid extra Romam est vincitur — bewegt geschildert wird:
miserabilis vastatio multarum ac bene institutarum gentium .... innumeri
diversarum gentium populi diu ante liberi, tunc bello victi, patria abducti,
pretio venditi, servitute dispersi etc., sodann aber das Endresultat, die christ-
lich-humane Einheit des Erdkreises, welcher mei juris et nominis est, quia
ad Christianos et. Romanos Romanus et Christianus accedo, wo jeder überall
inter homines homo ist usf., ein resigniertes Lob erhält. — Immerhin ist dies,
soweit ich sehe, das einzige Mal, daß seit den Tagen des Polybius ein alter
Geschichtschreiber einen Funken echter Teilnahme an dem Lose der unter-
gegangenen Nationalitäten blicken läßt.. λ'οη der modernen Idee des politi-
schen Gleichgewichts, ja nur von konservativ internationaler Gesinnung,
die in der Definition des jus gentium durch die späteren Juristen wenigstens
als Phrase auftritt, verraten die Historiker keine Spur. Mit kühler Objektivi-
tät geht die Weltgeschichte des Trogus Pompejus (Justin. I, 1; cf. Sallust.
Cat. II, 1—-2) \mn dem Gedanken aus, daß die Assyrer die uralte AYlkersitte
— veterem et quasi a\ütum gentibus morem: fines imperii magis tueri quam
proferre; intra suam cuique patriam regna finiebantur -— zuerst und auf immer
zerstört hätten, während selbst die größten Kriegsfürsten der früheren Zeit
contenti victoria imperio abstinebant. Das rhetorisch aufgestutzte Pathos
aber, womit. die Geschichtschreibung der Sieger sonst die unterliegenden
gentilen Vaterlandsverteidiger auszustatten liebt, dient doch einzig dazu, den
Eindruck des immer gleichen Erfolges auf den Leser durch ein dramatisch
spannendes Moment zu steigern. Gerade Tacitus ist bei all seiner sentimen-
talen Schätzung barbarischer Amrzüge von dem Glauben an die historische
 
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