Metadaten

Dove, Alfred; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1916, 8. Abhandlung): Studien zur Vorgeschichte des deutschen Volksnamens — Heidelberg, 1916

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34079#0026
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
26

ALFRED DOVE:

gegen scharf und sicher hegrenzten Wesen generell kenntiich zu
machen. Indivüdueh wird das nämliche Objekt durch den Eigen-
namen der Völkerschaft bezeichnet, und zwar mit vollkommener
Kongruenz; wie ja der lateinische Kunststil längst mit gutem
Grunde gewagt hatte, das Wort nomen selbst geradezu für gens
zu gebrauchen. Doch hat man, wohl mit Rücksicht auf das einmal
feststehende 'nomen Romanum', welches seinerseits treffend ein
nunmehr bloß sogenanntes Römertum charakterisierte, auf die
gentes der Wanderzeit jenen Ausdruck nur selten übertragenh

^ Hi, sc. Yenethi, ab una stirpe exorti tria nunc nomina ediderunt,
id est Yenethi, Antes, Sclaveni; ex quorum, sc. Gothorum, nomine vel genere
(Jord. Get. 119; 48); quamdiu nomen superest Gothorum (Cassiod. Var.
ΥΪΙΙ, 9); Burgundionum quoque novorum hostium novum nomen (Oros. h.
λ II, 32, 11). Unendlich häufiger nom. Rom. den gentes gegenüber: Wallia
rex Gothorum Romani nominis causa intra Hispanias caedes magnas efficit
barbarorum; Gothi regiones invadunt, quas Aegidius Romano nomini tue-
batur (Idat. ap. Ronc. II, 19; 50); barbaris nationibus Romano nomini velut
quodam üluvio superfusis (Pacat. paneg. III); nulla relicta foret Romani
nominis ί. ibra (Claudian. c. VIII, 50) usw. Griechische Nachahmung nach
beiden Richtungen: τό 'Ρωμκίων δνομκ, τό Κκππίχδοχών ονομά τε xcü έΐΐνος
(Νον. XXIV, 1; XXX, pr.). — Der Tropus ist insofern stets der nämliche,
als hüben wie drüben nach der wohlbekannten Metonymie, welche das wesent-
liche Kennzeichen für die Sache selber setzt, nomen 'alles, was eben diesen
Namen führt', bedeutet. Allein solche Namenseinheit kann einmal auf natür-
licher, ein andermal auf künstlicher Grundlage beruhen. Jenes ist der Fall
bei den wirklichen gentes, sowohl#bei den alt römischen Geschlechtern,als
bei den historisch unentwickelten Völkern. Für die ersteren lag die Gleichung
von gens und nomen doppelt nahe, weil nomen im engeren, technischen Sinne
eben der Geschlechtsname war: Fabium nomen, Fabia gens maxime enituit;
Potitii, gens . . . nomen Potitiorum interisse (Liv. II, 45, 16; IX, 29, 9—10);
gentiles sunt inter se, qui eodem nomine sunt (Cic. top. \H, 29). Von da wird
die Rhetorik weiter auf die größeren gentes, die Yölkerschaften, übergesprun-
gen sein: omne nomen Aetolorum ad internecionem videbatur venturum (Liv.
XXXVI, 34, 2); ceterosque rubri maris accolas, ignota etiam ipsi gentium
nomina (Curt. III, 2, 9). Das älteste Beispiel hierfür bildete wahrscheinlich
das nomen Latinum; aber eben dies umfaßte später überwiegend 'ernannte'
Latiner, eine staatsrechtliche Gesamtheit, deren fingierte Gentilität erst durch
das nomen zustande kam; wie Ammian (XXIII, 6, 55) von der politischen
Ausbreitung des persischen Namens sagt: Persae, antequam circumsitos
populos omnes ad dicionem gentilitatemque traherent nominis sui. Von dieser
Art ist nun auch das nomen Romanum der Kaiserzeit, der bewußte Ausdruck
für eine lediglich 'nominelle' Nationalität, den man zum Ersatze wählte,
nicht allein für das schier unmögliche gens Romanorum, sondern auch für
das gleichfalls beinahe sinnlos gewordene populus Romanus. Dieser Betrach-
tnng steht nicht im Wege, daß bei historischem Rückblick auf das national-
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften