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Dove, Alfred; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1916, 8. Abhandlung): Studien zur Vorgeschichte des deutschen Volksnamens — Heidelberg, 1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.34079#0064
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64

ALFRED DOVE:

orten auch für λτ<.ός oder populus^, während für γένος, genus oder
verwandte Begriffe kuni eintritth Die Etymologie des Wortes
thiuda ist uns unbekannt; es kann ebensowohl sein, daß es wie
έϋνος seiner Wurzel nach mit der Idee der Abstammung nicht
zusammenhängt, wie auch umgekehrt, daß es gleich gens auf den
Begriff der Erzeugung zurückgeht^. Soviel aber ist unzweifelhaft,
claß es m seiner damakgen Geltung eben das Volk der Wanderzeit,
wie es leibte und lebte, die auf die Nationaktät gegründete, durch
nationale Institutionen verbundene und zusammengehaltene 'VöI-
kerschaft\ wie wir sie zur genüge kennen gelernt, bedeutete. Dieses
notwendige Ergebnis jener vollkommenen Gleichung zwischen
thiuda und έ9-νος oder gens bei Ulfilas wird noch weiter in erwünsch-
ter Weise direkt und indirekt bestätigt.
Im gotischen Kalender erscheint zweimal der Name Gut-
thiuda für 'das Gotenvolk^ selbst, und zwarj wie man sieht, in einer
viel innigeren Zusammenfügung, als sie durch τό τών Γότί9ων
έ9 νος oder gens Gothorum wiedergegeben wird, oder in modernem
Deutsch irgend nachzuahmen wäre. Man darf daraus unmittelbar
auf eine ausgebildete Geläufigkeit dieser Form nationaler Selbst-
Auch der Plural manageins steht für δχλο^ oder turbae (Mat. 7, 28),
wie für λκοί oder populi (Luc.2,31); ε-9-νη und λκοί, gentes u. populi, thiudos
u. manageins in kontrastierender Zusammensteliung Röm. 15, 11. — Für
πλη-9-ος, multitudo auch einmal hansa 'die Schar' Luc. 6, 17, u. einmal filusna
'die Vielheit' Neh. V, 18 (nicht für λκός, wie DAHN a. a. O. 7 A. 2 angibt).
— DAHNs Bemerkung (ebd.), managei werde 'manchmal auch gebraucht,
wo man thiuda erwarten sollte', ist hinfäilig, da an den von ihm angezogenen
Textstellen durchweg λκός oder populus steht; ob dafür s-9-νος oder gens
angemessener wäre, ist eine Frage, die Ulfilas so wenig beschäftigte, wie uns.
— Harjis = στρκτί,κ, militia (Luc. 2, 13; 8, 30 = Legion) streift im Neuen
Testament nicht an den Yolksbegriff.
2 Γένος oder genus selbst wird durch kuni übersetzt 2 Kor. 11, 26;
sonst steht das letztere auch für γενεκ, γέννημκ, φυλή, generatio, genimen,
tribus usw.; φΰλον kommt nicht vor, natio desgh, nationes = gentes = εθ-νη
wäre natürlich thiudos.
^ Daß auch in anderen westindogerm. Sprachen Volksbezeichnungen
begegnen, die mit thiuda stammverwandt zu sein scheinen (s. KLUGE, Etym.
Wtb. S. 49), gewährt uns keinen tieferen Aufschluß. Wenn SYBEL (Ent-
stehung des deutschen Königtums 2. Aufl. S. 64) dem mit thiuda identischen
angelsächsischen theod gemäß seiner 'etymoiogischen Bestimmung' als ur-
sprüngliche Bedeutung 'Korporation', erst als abgeleitete 'gens im gewohnten
Sinne', d. h. mit Rücksicht auf die Abstammung, beimißt, so erfährt man
leider nicht, woher er diese 'etymologische Bestimmung' gewonnen.
 
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