Metadaten

Dove, Alfred; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1916, 8. Abhandlung): Studien zur Vorgeschichte des deutschen Volksnamens — Heidelberg, 1916

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34079#0067
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Studien zur Yorgeschichte des deutschen Voiksnamens.

67

Jordanis spielt. Tritt indes bei jeder derartigen Erwägung nur
immer aufs neue schlagend hervor, wie außerordentlich tief und
breit die Idee der thiuda in die gotische Rede eingriff: sollte es,
darf' man da wohl fragen, nicht vielleicht auch ein Eigenschafts-
wort gegeben haben — in gotischer Gestalt müßte es thiudisks
lauten — das die Beziehung auf eine thiuda, die Zugehörigkeit
zu ihr irn allgemeinen ausgedrückt, also etwa unserem 'volkstüm-
lich^ oder 'nationah entsprochen hätte ? Wir wagen zu erwidern:
ein solches Adjektiv war nicht vorhanden.
Auch τ& έ&νη oder gentes, wo es die Heiden bezeichnet, gibt
Ulfilas ohne Bedenken stets durch thiudos wieder, während dem-
gegenüber das jüdische Gottesvolk als λκός, populus oder plebs,
durch managei abgespeist wirdh Bei dieser konsequenten Wort-
treue wäre sicherlich έΕνί-χός, ethnicus ganz ebenso durch thiu-
disks übersetzt worden, wenn sich diese Form im überlieferten
Sprachschatze der Goten vorgefunden hätte. Statt dessen treffen
wir den Notbehelf einer Umschreibung: oi έ&νί-χοί erscheinen
gotisch vielmehr als thai thiudo = οί τών έΕνών^. Auch "Ελλην
im heidnischen Sinne hätte dort, wo es Ulfilas nicht direkt durch
Kreks übertragen wollte, Gelegenheit zur Anwendung eines etvva
zu Gebote stehenden thiudisks gegeben; findet sich doch in solchen
Fällen in der Vulgata mit Vorliebe gentilis. Allein der gotische
Interpret verrnag auch da nur mit thiudos = gentes selber aufzu-
warten: "Ελληνές τίνες, quidam gentiles sind ihm sumai thiudo
d. h. quidam ex gentibus^. Allen diesen Stellen steht nun freilich
der eine hochberühmte 14. Vers im zweiten Kapitel des Galater-
briefes entgegen, der mdes bei näherer Betrachtung als Ausnahme
nur die Regel bestätigt. Es ist unumgänglich, genauer darauf
einzugehen. ,,Wenn du, der du doch Jude bist," sagt Paulus zu
Petrus, ,,heidnisch lebst und nicht jüdisch, warum zwingst du die
Heiden, sich jüdisch zu geberden?" Εί σύ ΠουδΰΑος υπ&ρχων
έΕνίχώς ζγίς χκί ουχ Που§!χ'ί;χώς, πώς τά έΕνη άνχγχ&ζεί,ς Πουδκΐ-
ζεί,ν; Si tu, cum Judaeus sis, gentiliter vivis et non Judaice, quo-
modo gentes cogis Judaizare? Merkwürdig, aber sehr begreiflich
ist es, daß an dieser einzigen Stelle sich dem gentiliter der AMlgata
gegenüber in allen Resten oder Zitaten der älteren lateinischen
^ Z. B. Luc. 2, 32; Röm. 15, 10.
2 Mat. 5, 46 (aus Versehen statt 47; s. Vulfila hrsg. v. E. BERNHARDT
8. 7 A.); 6, 7.
3 Joh. 12,10; vgf. BERNHARDT, Vulfila 8.391 A. u. o. 8. 53, A.2 ; S. 60, A. 1.

5*
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften