Metadaten

Dove, Alfred; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1916, 8. Abhandlung): Studien zur Vorgeschichte des deutschen Volksnamens — Heidelberg, 1916

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34079#0069
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Studien zur Yorgeschichte des deutschen Yolksnamens.

69

kann nur dahin lauten, daß sich von der Existenz eines Eigenschafts-
wortes thiudisks mit der Bedeutung 'volkstümlich' oder 'volks-
mäßig' im Gotischen auch nicht die leiseste Spur findet, daß
dem Adverb thiudisko die Rolle eines άπκξ λεγόμενον der Gelegen-
heit, um nicht zu sagen der Verlegenheit, zukommt, und daß,
welche Bewandtnis es auch immer damit habe, sein lexikaiisch
bezeugter Wert jedenfails dem nationaien Sinne gänzlich fernsteht
und vielmehr auf 'heidenmäßig', allerhöchstens auf 'völkermäßig'
im heidnischen Sinne, hinausläuft.
Eine andere Frage ist die, ob nicht hernach, im Anschluß an
die einmai gewagte Adverbialbildung, in lebendiger Rede auch
das Adjektiv thiudisks, natüriich immer nur in der Bedeutung
'heidnisch\ bei den christlichen Goten im Schwange gewesen sei.
Man könnte geneigt sein, diese Frage vermutungsweise prinzipieil
zu bejahen; denn das Bedürfnis nach einem derartigen Ausdruck
lag um so näher, als das Evangelium auch bei den Westgoten zu-
nächst eine heftige Entzweiung hervorrief; Bischof Ulfilas selbst
hat mit dem bekehrten Teile des Volkes vor der wütenden Verfol-
gung seitens der heidnischen Partei unter Athanarich eine Zu-
flucht auf römischem Boden gesucht und gefunden. Zumal ein
Aquivalent von έ-9-νί.χός oder gentilis in ihrem substantivierten
Gebrauch, eine Bezeichnung für den oder einen Heiden auch im
Singular, ließ sich da gewiß nicht entbehren. Gerade hierfür war
jedoch auch wieder anderweit Rat zu schaffen. .Das Wort oder
vielmehr die Wendung, welche Ulfilas für 'Götzendiener' bietet,
galiugam skalkinonds, ist freilich recht umständlich^; und den
heidnischen Goten einen 'Griechen', Kreks, zu nennen, ist dem
christlichen Volksgenossen wohl schwerlich eingefallen, während
die griechischen Kirchenhistoriker, die uns von den Taten und
Schicksalen des Ulfilas erzählen, allerdings auch die gotischen
Heiden ohne weiteres unter die Kategorie des Hellenismus bringen^.
Dagegen ist nicht einzusehen, warum jene Umschreibungen, die
uns zufällig im Plural überliefert sind, thai oder sumai thiudo, die
oder einige aus der Heidenschaft, nicht im Notfall auch im Sin-
1 1. Kor. 5, 10; 11. — Ygl. über die ganze Materie K. WEiNHOLD, Die
gotische Sprache im Dienste des Christentums.
2 Sozomen, h. e. VI, 37 von den Westgoten ετι τών εΐρημένων βκρ-
βάρων ' Ελληνικώς h-ρησχευόντων; νοη den Anhängern Athanarichs τών ' Ελλη-
νιστών; Philostorg. h. e. II, δ (bei Photius) άντί της Έλληνίδος 8όξης νοη
den Goten vor Ulfilas' Zeit. S. WAiTZ, Leben des Ulfilas S. 59; 62.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften