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ALFRED DOVE:
Um der Angelsachsen zu geschweigen, denen ja von Haus aus
kaum der Schatten des Römerreiches in den Weg trat, so haben
ferner die Langobarden, die mit den Überbleibseln desselben in
Italien unablässig im Streite lagen, sich ahezeit energisch ais gens
empfunden und bezeichnet. Den schlagendsten Beweis dafür
liefert die bereits oben gewürdigte Tatsache, daß der offizielle
Herrschertitel bei ihnen stets 'Völkerkönig', rex gentis gelautet
hat. Selbst nach dem Fall lhres nationalen Königtums aber hielten
noch die reliquiae gentis in dem halb unabhängig gebliebenen Für-
stentum Benevent mit rührender Treue an den nationalen Erinne-
rungen festL Was endlich die Franken in Gallien betrifft, so möchte
man sich wohl mit dem schlichten Hinweis auf jene von gentilem
weit entfernt bleibt (vg'l. seine Erklärung' von V. Conc. Tol. c. 3 Gothicae
g'entis nobilitas a. a. O. S. 526). Es kommt hinzu, daß die Gesetze, wo es die
Untertanen gilt, neben populus, populi, plebes u. dgl. auch gentes als Mehr-
heit erwähnen; insbesondere schließt das häufige cujuslibet gentis den Gedan-
ken an eine einheitliche gens als Reichsbevölkerung aufs bestimmteste aus.
Dem gegenüber ist denn gens Gothorum oder das einfache gens im Singular
die herrschende Nation, und es ist gerade eine sehr entschiedene 'Äußerung
spezifisch gotischen Nationalgefühls', daß diese mit dem Könige so vielfach
auf eine Stufe gestellt, ja sogar an seiner statt allein als souverän — wenn das
moderne Wort gestattet ist — bezeichnet wird. DAHN freilich sieht sich ge-
nötigt, eine Wendung wie conjuratio Pauli contra gentem et patriam als 'jeden-
falls bedeutungslos' und das im Text zitierte regnum gentis nostrae gar als
'gedankenlos' zu verwerfen (S. 514 A. 5). Auch die jura Gothorum, kraft
deren abgetretenes Reichsgebiet zurückgefordert wird, scheint er mir nicht
glücklich durch 'gotisches TerritorialrechP zu erklären (S. 494f.); es sind
damit vielmehr die Herrschaftsrechte der Nation gemeint, eben die jura gen-
tis suae, in quae Leovigildus regnum Suevorum transmittit, Isid. h. d. reg.
Goth. 49. Cf. ib. 92 regnum Suevorum deletum in Gothos transfertur. Joh.
Biclar. ap. Ronc. II, 392 Suevorum gentem, thesaurum et patriam (Leovigil-
dus) suam in potestatem redigit et Gothorum provinciam facit; und von
byzantinischen Städten Isid. 1. 1. 61 quas gens Gothorum post in ditionem
suam facile redegit; Joh. Biclar. p. 384 Leovigildus rex Cordubam civitatem
diu Gothis rebellem propriam facit multosque urbes et castella in Gothorum
dominium revocat.
S. die Capitula Adelchis principis v. J. 866 Mon. Germ. Leg. W, 210:
Gott hat einst Italiae regnum genti nostrae Langobardorum untergeben . . .
ejusdem vero famosae gentis tunc gloria permanente subito Gallorum gens
primatum et capud regni iliius invasit . . . Karl unterwirft Italiae regnum
gentemque Langobardorum suo imperio . . . eadem gente ad minima decidente
Arechis suae gentis reliquias rexit . . . jetzt verwaltet er, Adelchis selbst,
ducatum ipsius reliquiarum gentis und beklagt seine concives, quos jam
infestatio multarum gentium valde opprimit. — Über rex gentis Lang. s. o.
S. 46, A. 2.
ALFRED DOVE:
Um der Angelsachsen zu geschweigen, denen ja von Haus aus
kaum der Schatten des Römerreiches in den Weg trat, so haben
ferner die Langobarden, die mit den Überbleibseln desselben in
Italien unablässig im Streite lagen, sich ahezeit energisch ais gens
empfunden und bezeichnet. Den schlagendsten Beweis dafür
liefert die bereits oben gewürdigte Tatsache, daß der offizielle
Herrschertitel bei ihnen stets 'Völkerkönig', rex gentis gelautet
hat. Selbst nach dem Fall lhres nationalen Königtums aber hielten
noch die reliquiae gentis in dem halb unabhängig gebliebenen Für-
stentum Benevent mit rührender Treue an den nationalen Erinne-
rungen festL Was endlich die Franken in Gallien betrifft, so möchte
man sich wohl mit dem schlichten Hinweis auf jene von gentilem
weit entfernt bleibt (vg'l. seine Erklärung' von V. Conc. Tol. c. 3 Gothicae
g'entis nobilitas a. a. O. S. 526). Es kommt hinzu, daß die Gesetze, wo es die
Untertanen gilt, neben populus, populi, plebes u. dgl. auch gentes als Mehr-
heit erwähnen; insbesondere schließt das häufige cujuslibet gentis den Gedan-
ken an eine einheitliche gens als Reichsbevölkerung aufs bestimmteste aus.
Dem gegenüber ist denn gens Gothorum oder das einfache gens im Singular
die herrschende Nation, und es ist gerade eine sehr entschiedene 'Äußerung
spezifisch gotischen Nationalgefühls', daß diese mit dem Könige so vielfach
auf eine Stufe gestellt, ja sogar an seiner statt allein als souverän — wenn das
moderne Wort gestattet ist — bezeichnet wird. DAHN freilich sieht sich ge-
nötigt, eine Wendung wie conjuratio Pauli contra gentem et patriam als 'jeden-
falls bedeutungslos' und das im Text zitierte regnum gentis nostrae gar als
'gedankenlos' zu verwerfen (S. 514 A. 5). Auch die jura Gothorum, kraft
deren abgetretenes Reichsgebiet zurückgefordert wird, scheint er mir nicht
glücklich durch 'gotisches TerritorialrechP zu erklären (S. 494f.); es sind
damit vielmehr die Herrschaftsrechte der Nation gemeint, eben die jura gen-
tis suae, in quae Leovigildus regnum Suevorum transmittit, Isid. h. d. reg.
Goth. 49. Cf. ib. 92 regnum Suevorum deletum in Gothos transfertur. Joh.
Biclar. ap. Ronc. II, 392 Suevorum gentem, thesaurum et patriam (Leovigil-
dus) suam in potestatem redigit et Gothorum provinciam facit; und von
byzantinischen Städten Isid. 1. 1. 61 quas gens Gothorum post in ditionem
suam facile redegit; Joh. Biclar. p. 384 Leovigildus rex Cordubam civitatem
diu Gothis rebellem propriam facit multosque urbes et castella in Gothorum
dominium revocat.
S. die Capitula Adelchis principis v. J. 866 Mon. Germ. Leg. W, 210:
Gott hat einst Italiae regnum genti nostrae Langobardorum untergeben . . .
ejusdem vero famosae gentis tunc gloria permanente subito Gallorum gens
primatum et capud regni iliius invasit . . . Karl unterwirft Italiae regnum
gentemque Langobardorum suo imperio . . . eadem gente ad minima decidente
Arechis suae gentis reliquias rexit . . . jetzt verwaltet er, Adelchis selbst,
ducatum ipsius reliquiarum gentis und beklagt seine concives, quos jam
infestatio multarum gentium valde opprimit. — Über rex gentis Lang. s. o.
S. 46, A. 2.