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Dove, Alfred; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1916, 8. Abhandlung): Studien zur Vorgeschichte des deutschen Volksnamens — Heidelberg, 1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.34079#0087
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Studien zur Yorgeschichte des deutschen Volksnamens.

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tümlicher gewesen, ais die angestammte heidnische Religion;
was wäre andererseits nniverseller, dem Prinzip natürlicher Beson-
derheit geradezu entgegengesetzt, als der Gedanke der allgemeinen
Kirche ? Aus dem Boden des Weltstaates ais dessen humanstes
Erzeugnis hervorgewachsen, strebte dieser Gedanke von vorn-
herein darnach, ringsum noch weit mehr als eben jenen Boden
zu uberschatten. Indes die bekehrten Völker fühlten sich, wie
wir schon oben bemerkten, in ihrem Wesen dadurch nicht erstickt;
sie zählten wunderbarerweise den Besitz der neuen Wahrheit im
Gegenteil den spezifisch nationalen Gütern bei. Nicht bloß der
romanische Bischof Isidor von Sevilla zeigt sich von dieser Mei-
nung durchdrungen, wenn er die Könige Leovigild und Rekkared
in ihren Verdiensten um die westgotische gens mit den Worten
gegen einander abwägt: ille armorum artibus gentis imperium
dilatans, hic gloriosus eandem gentem fidei trophaeo sublimans^.
Auch der echt germanische Priester Beda dachte nicht anders;
seine historia ecclesiastica gentis Anglorum ist in Plan und Aus-
führung durchweg von gleich lebhafter Begeisterung für Volkstum
und Cliristentum getragen: Ja sogar aus Laienmunde tönt uns die
nämliche Ansicht entgegen: die Langobardenkönige rühmen ihr
Volk ausdrücklich als gens catholica Deoque dilecta; und der alte
Prolog zur Lex Salica schließt jenen mehrfach erwähnten Lob-
gesang auf die gens Francorum inclita mit dem Ausbruch kirch-
lichen Nationalstolzes: ad catholica(m) fide(m) nuper conversa
et immunis ab herese!
Aus clem gegebenen Beispiel erhellt, wie in den Begriff der
gens ein fremder geistiger Gehalt hineingelegt werden konnte,
ohne daß dadurch sein Grundcharakter zerstört ward. Es wird
darnach nicht seltsam erscheinen, daß der Gedanke der Nationali-
tät bei den Germanen in romanischen Landen hernach sogar den
Wechsel der Volkssprache zu überclauern vermochte. Wenn je-
doch durch kulturgeschichtliche Ausweitung aus der einfachen und
konzentrierten Idee des ζΕνος allmählich im Laufe der Jahrhun-
derte die unvergleichlich reichere, künstlicher gestaltete der moder-
nen Nation entstand, so unterscheidet sich die letztere zugleich
von der ursprünglichen gens nicht minder in äußerer, gewisser-
maßen körperlicher Idinsicht. Auch von dieser materiellen Seite
der gentilen Entwicklung fällt ein gutes Stück schon in die Tage
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^ H. d. reg. Goth. 52.
 
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