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Dove, Alfred; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1916, 8. Abhandlung): Studien zur Vorgeschichte des deutschen Volksnamens — Heidelberg, 1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.34079#0088
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ALFRED DOVE:

vor der karolingischen Epoche, und wir müssen davon um so nrehr
Notiz nehmen, als gerade sie sich keineswegs auf den vormals
römischen Boden beschränkte, viefmehr ebensowohl mnerhaib
der altethnischen Sphäre selber vor sich ging. Sieht man näher zu,
so handelt es sich dabei sogar um eine ganz generehe Erscheinung,
die dem nationalen Leben der historischen Frühzeit überhaupt
eigen ist. Während im heranflutenden Strome des geschichtfichen
Lebens auf der einen Seite, wie der Dichter sagt, ,,Völker ver-
rauschen, Namen verklingen", tauchen auf der anderen wiederum
neue Völker auf, und ehedem unvernommene Namen schlagen
überraschend an unser Ohr. Wo es nun dort die wirkliche physi-
sche Vernichtung, hier das erste Hervorbrechen aus dem dunklen
Hintergrunde vorhistorischen Daseins gilt, stößt unsere Anschau-
ung nirgends auf ein Hindernis. Allein der Prozeß des Entstehens
und Vergehens der einzelnen έΕνη spielt sich weit häufiger auf dem
Wege bloßer Umformung ab. Durch Spaltung und Absonderung,
wie durch Verbindung und Verschmelzung entspringen aus älteren
jüngere gentile Gebilde; unter verwickelten geschichtlichen Bedeu-
tungen können beide Richtungen der Metamorphose einander
überdies mannigfach durchkreuzen. Nicht selten lagern alsdann
in Tagen des Übergangs Volksnamen verschiedenen Wertes und
Umfanges gleichsam übereinander, nnd der Begriff der gens selber
verfällt dadurch notwendig einer gewissen Aheldeutigkeit.
Um die sich darbietende Schwierigkeit zunächst zu würdigen
und sodann zu heben, muß man sich stets erinnern, daß dieser
Begriff in seiner regelmäßigen Gestalt einerseits die Idee gemein-
samer Abstammung, andererseits dieWrstellung einer nacli außen
selbständigen, nach innen einheitlichen Lebensgemeinschaft, be-
sonders auf dem Gebiete des staatlichen Daseins, m sich schließt.
Indem nun der letztere, reale Faktor den Veränderungen der ge-
schichtlichen Entwicklung unterliegt, muß sich der erstere, ldeale
wohl oder übel der neuen Lage anbequemen. Ohne besondere.
Mühe gescliieht das in dem bisweilen einfacheren Falle der Spal-
tung einer älteren gens in zwei oder mehrere jüngere; denn hier
gehört ja die Idee der Nationalität bereits zur ursprünglichen Mit-
gift der Teile, welche sich zu völkerschaftlicher Autononne aus dem
Ganzen aussondern. In dem Augenblick also, wo diese Emanzi-
pation, Amr allem in politischer Hinsicht, wesentlich vollbracht
ist, läßt sich der verengerte Begriff der gens mit schärfster Be-
stimmtheit auf das einzelne Sondervolk niedei'. ληη der ehema-
 
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