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Reitzenstein, Richard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1917, 10. Abhandlung): Die Göttin Psyche in der hellenistischen und frühchristlichen Literatur — Heidelberg, 1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.37643#0005
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Die Göttin Psyche.

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erste) Gott Ormuzd mit dem 'letzten Gott’1, die Mutter der From-
men, der Freund des Lichtes, der Gott Norisof2, der Gott Bäm,
der lebendige Geist, Jesus Ziwä, die Lichtjungfrau und die große
Monuhmeö.“
Weiter wird in einem in der Hauptsache an Mani gerichteten
Hymnus im Norddialekt (M 10 Zeile 16 ff. der Vorderseite) die Freude
verschiedener Wesen und Dinge bei der Geburt des Mani geschil-
dert. In diesem Zusammenhang heißt es dann (Rückseite Z. 2ff.):
„Als dich die schönen (?) der Psyche entsprossenen Mädchen und
Knaben sahen, da segneten sie dich, alle einstimmig durch Lob-
preisung, o Jüngling ohne Fehl.“ Ein letztes Fragment eines
Hymnus im Norddialekt (M 5) läßt einen Gott sagen: „Von mir
ist erbaut worden ein Palast und eine Wohnung von guter Ruhe3
für die Psyche des Lebenshauches.“4
Man erkennt deutlich, die Allseele wird in diesem Zweige
der manichäischen Tradition durchaus noch als mythologische
Persönlichkeit gefaßt, ebenso wie die andern Götter der Liste.
Um so auffälliger, daß sie in dem sonst anerkannt besten Bericht
über die manichäische Kosmogonie bei dem erwähnten Theodor
bar Khöni ganz fehlt. In griechischen Berichten erscheint sie
zwar, aber derartig zum bloßen Begriff verblaßt, daß man mit
einigem Recht an die Weltseele im Timaios denken konnte. Erst

1 Die Verwendung der Präposition weist auf eine enge Verbindung
(zusammen mit); sonst werden die Namen einfach nebeneinander gestellt.
2 Nordiranische Form des Götternamens Nairyösahho (Noryosohho).
3 Wörtlich: gute Ruhe besitzend.
4 Prof. Andreas schreibt mir: „Vor monuhmeö (ψυχή) steht ein zum
Teil verwischtes Wort. Die vorhandenen Spuren scheinen mir nur auf mittel-
iranisch giydn führen zu können, auf das das neupersische Wort für 'Seele’,
gdn zurückgeht, und dessen ältere Form im awestischen vyöno 'Seele’, sanskr.
vyäna-, m. 'der Atem, der im ganzen Körper sich verbreitende Lebenshauch’ er-
halten ist. Wenn hier von giydn monuhmeö, einer Psyche des Lebenshauches,
die Rede ist, so ist das nicht befremdlich, denn der Ursprung der beiden Wörter
läßt deutlich erkennen, daß monuhmeö die geistige Seele, giydn aber den
Lebenshauch, das Lebensprinzip, die körperliche Seele bezeichnet.“ — Ich
füge hinzu, daß bei Mani der Begriff 'Seele’ tatsächlich Verschiedenes um-
schloß. Wenn er selbst auch im Grunde immer nur an die eine Lichtsubstanz
und Lebenskraft dachte, so war er sich doch bewußt, daß die stärker helleni-
sierten Systeme auch andere Worte einsetzten, die für ihn alle unter den einen
Hauptbegriff fielen. Auf seine oder seiner nächsten Schüler Lehre geht die
Stelle Acta Archelcii cap. 10 p. 15,10 Beeson zurück: τής δέ ψυχής έστι τά
ονόματα ταΰτα, νους, έννοια, φρόνησις, ένΟύμησις, λογισμός.
 
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