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R. Reitzenstein:
weiß beides zu scheiden, und die Sünde fällt zurück, halb auf die
Erde, halb auf das Wasser1 und verwandelt sich in letzterem in
ein furchtbares Ungetüm ähnlich dem Herrscher der Finsternis,
doch wird es von einem entsendeten Lichtgott getötet. Die Sünde
(also Materie), die auf die Erde gefallen ist, verwandelt sich in
Bäume (und Pflanzen). Die weiblichen Archonten, die schwanger
waren, lassen Frühgeburten zur Erde fallen (aus denen die Tiere
sich entwickeln). Auch in ihnen lebt noch Erinnerung an das Bild
des Mittlers; sie geben auf den Rat des Sohnes des Herrschers
der Finsternis ihm und seinem Weibe den Lichtsamen, der noch
in ihnen ist, zu fressen. Jene beiden Dämonen aber zeugen daher
Adam und Eva. So ist wieder Lichtsamen in die Gefangenschaft
der Materie gekommen und muß befreit werden. Der aus Licht
bestehende Jesus (also Jesus Ziwä) steigt nieder, weckt Adam aus
seinem Todesschlaf, befreit ihn von den Dämonen und lehrt ihn,
wer er ist. Adam aber verflucht den Schöpfer seines Leibes, der
seine Seele hier gefesselt hat, und die abtrünnigen Dämonen, die
ihn umgeben haben.
Ich habe den letzten Teil mit beigefügt, weil er uns für später
Wichtigkeit gewinnen wird und weil mir daran liegt, gleich zu An-
fang einen Grundzug dieser syn kret istischen Systeme klar hervor-
treten zu lassen, nämlich die Verbindungen verschiedener älterer
Mythen, die immer wieder zur Wiederholung desselben Motives
führen, besonders, wenn der gleiche Grundgedanke sich an ver-
schiedenen Stellen ähnlich entwickelt hat. So soll der Mythos
vom 'ersten Menschen’ die Vermischung von Gut und Böse, Geist
und Materie erklären: ein Geisteswesen ist zur Materie nieder-
gesendet oder niedergesunken, von ihr verschlungen oder gefesselt
worden, soll aber zuletzt wieder befreit und in die Geisteswelt
zurückgeführt werden. Zwei verschiedene Fassungen, deren eine
aus andern Mythen und Vorstellungen bereichert ist, sind hier
äußerlich verbunden. An andern Stellen werden wir nicht ein
einfaches Anreihen, sondern ein Ineinanderschieben oder Anglei-
chen solcher Vorstellungen finden. Ich erinnere an die bekannte
Naassenerpredigt bei Hippolyt und an den Poimandres. Zugleich
zeigt der Mythos, der nach Cumonts schönem Nachweis wohl un-
mittelbar der berühmten Epistula Fundamenti Mänis entnommen
1 Ein Zug, der in der Menschenschöpfung des Poimandres und in man-
däischen Schöpfungsberichten wiederkehrt.
R. Reitzenstein:
weiß beides zu scheiden, und die Sünde fällt zurück, halb auf die
Erde, halb auf das Wasser1 und verwandelt sich in letzterem in
ein furchtbares Ungetüm ähnlich dem Herrscher der Finsternis,
doch wird es von einem entsendeten Lichtgott getötet. Die Sünde
(also Materie), die auf die Erde gefallen ist, verwandelt sich in
Bäume (und Pflanzen). Die weiblichen Archonten, die schwanger
waren, lassen Frühgeburten zur Erde fallen (aus denen die Tiere
sich entwickeln). Auch in ihnen lebt noch Erinnerung an das Bild
des Mittlers; sie geben auf den Rat des Sohnes des Herrschers
der Finsternis ihm und seinem Weibe den Lichtsamen, der noch
in ihnen ist, zu fressen. Jene beiden Dämonen aber zeugen daher
Adam und Eva. So ist wieder Lichtsamen in die Gefangenschaft
der Materie gekommen und muß befreit werden. Der aus Licht
bestehende Jesus (also Jesus Ziwä) steigt nieder, weckt Adam aus
seinem Todesschlaf, befreit ihn von den Dämonen und lehrt ihn,
wer er ist. Adam aber verflucht den Schöpfer seines Leibes, der
seine Seele hier gefesselt hat, und die abtrünnigen Dämonen, die
ihn umgeben haben.
Ich habe den letzten Teil mit beigefügt, weil er uns für später
Wichtigkeit gewinnen wird und weil mir daran liegt, gleich zu An-
fang einen Grundzug dieser syn kret istischen Systeme klar hervor-
treten zu lassen, nämlich die Verbindungen verschiedener älterer
Mythen, die immer wieder zur Wiederholung desselben Motives
führen, besonders, wenn der gleiche Grundgedanke sich an ver-
schiedenen Stellen ähnlich entwickelt hat. So soll der Mythos
vom 'ersten Menschen’ die Vermischung von Gut und Böse, Geist
und Materie erklären: ein Geisteswesen ist zur Materie nieder-
gesendet oder niedergesunken, von ihr verschlungen oder gefesselt
worden, soll aber zuletzt wieder befreit und in die Geisteswelt
zurückgeführt werden. Zwei verschiedene Fassungen, deren eine
aus andern Mythen und Vorstellungen bereichert ist, sind hier
äußerlich verbunden. An andern Stellen werden wir nicht ein
einfaches Anreihen, sondern ein Ineinanderschieben oder Anglei-
chen solcher Vorstellungen finden. Ich erinnere an die bekannte
Naassenerpredigt bei Hippolyt und an den Poimandres. Zugleich
zeigt der Mythos, der nach Cumonts schönem Nachweis wohl un-
mittelbar der berühmten Epistula Fundamenti Mänis entnommen
1 Ein Zug, der in der Menschenschöpfung des Poimandres und in man-
däischen Schöpfungsberichten wiederkehrt.