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Reitzenstein, Richard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1917, 10. Abhandlung): Die Göttin Psyche in der hellenistischen und frühchristlichen Literatur — Heidelberg, 1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.37643#0043
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Die Göttin Psyche.

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Systeme erblicken. Zwischen Lichtwelt (oberer Welt) und Gesamt-
welt ist in der Darstellung kein recht fühlbarer Unterschied gemacht.
Ich möchte vermuten, daß eben das der Verbreitung des Systems
besonders günstig war. Wir werden noch sehen, daß bei der Ver-
breitung der iranischen Lehren auf andere Völker, die der persi-
schen Herrschaft unterworfen waren, der Dualismus überall stark
verblaßt ist.
Diese Kosmogonie also ist, eingeleitet durch ein angeblich
ägyptisches Gebet in die 'heilige Schrift’ einer ägyptischen Gemeinde
der Diaspora im ersten oder zweiten Jahrhundert n. Chr. auf-
genommen und durch diese heilige Schrift in die Zauberliteratur
auch des Mutterlandes getragen worden. Daß man dabei den
Namen des iranischen Propheten in jener 'heiligen Schrift’ bewahrte,
zeigt wohl, daß sich an ihn eine religiöse Tradition knüpfte. So
rühmen sich nach Clemens Strom. 1 69, 6 die Anhänger des
Prodikos, geheime Schriften des Zoroaster zu besitzen, und in einer
Zeit, die Hermes als Archegeten der 'Magier’ bezeichnete1, konnten
Proselyten der ägyptischen Religion das sehr wohl auch tun.
Ich kann den Hergang, wie er sich mir darstellt, vielleicht
nicht besser als durch eine mir nachträglich in die Hand gefallene
Stelle W. Brandts über die mancläischen Schriften charakteri-
sieren (Beihefte zur Zeitschrift f. d. alttestamentl. Wissenschaft
XVIII Gießen 1910, Die jüdischen Baptismen S. 146): ,,Die in dem
'großen Buch’ gesammelte älteste Literatur der Mandäer besteht
zu einem ansehnlichen Teil aus Schriften, die gewiß nicht aus der
mancläischen Religionsgemeinschaft hervorgegangen sind, sondern
von auswärts in die Hände schriftkundiger Mitglieder des euphra-
tensischen Baptistenvolkes geraten waren. Sie wurden von diesen
übersetzt, mehr oder weniger überarbeitet oder irgendwie ein-
gerahmt , oder auch stückweise in den Erzeugnissen der eigenen
Phantasie untergebracht. Ich möchte dafür halten, daß die Mandäer
längere Zeit hindurch so gut wie alles, was ihnen unter die Augen
kam und ihrer religiösen Praxis nicht widersprach, als geoffenbarte
Weisheit zu begrüßen pflegten.“2
So bleibt uns nur noch übrig zu versuchen, den Namen jenes
Propheten zu ermitteln und in die religionsgeschichtliche Litera-
tur wieder einzuführen. Bei Plinius Nat. hist. XXX 4 gibt Her-
1 Wessely, Denkschr. d. K. Akad. Wien 1888 S. 102 Z. 2288 παντού
ώς μάγων άρχηγενής ( ?) Έρμης ό πρέσβυς ’Τσιδος πατήρ εγώ.
2 Vgl. auch W. Brandt, Mandäische Schriften S. 225.
 
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