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Reitzenstein, Richard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1917, 10. Abhandlung): Die Göttin Psyche in der hellenistischen und frühchristlichen Literatur — Heidelberg, 1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.37643#0046
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46

R. Reitzenstein:

— vg]. cap. 1 — von einem νους έν κινήσει, der wieder als θεωρών
oder διανοούμενος gefaßt werden kann: πολλάκις δέ αύτοΐς άντί
τού διανοουμένου Ψυχή έστιν ή δημιουργούσα) und gebrauchen
verschiedene Bezeichnungen und Bilder. In dem ganzen Stück
ist nun von der Psyche die Rede; das ist die Voraussetzung
für alles. Also müssen die Gnostiker hauptsächlich von ihr
gesprochen haben; sonst ist die ganze Polemik hinfällig. Nur
beiläufig war an ein paar Stellen die Rede von der Σοφία. Ist die
Allseele, wie wir schon jetzt geneigt sind zu vermuten, das Gegen-
bild zu dem Urmenschen, so ist das verständlich; die Weisheit
Gottes hat ihn zu der νεύσις bestimmt. Wird die Seele für den
δημιουργός νοΰς (νούς διανοούμενος) eingesetzt1, so begreifen wir, daß sie
als mit ihr identisch gefaßt werden kann. Immer aber erscheint
der Begriff der Σοφία dabei als ein Zusatz, ein Fremdkörper, der
irgend einer Offenbarungsschrift zuliebe eingefügt war.
Von der νεύσις war verschieden geredet. Bald scheint die
Allseele selbst gefallen (σφαλεΐσα, cap. 4 Anfang); dann erscheint
sie selbst als Schöpferin, die nach unklarer Erinnerung eine unvoll-
kommene Welt schafft und aus eigener Kraft nicht wieder zurück-
kehren kann. Bald bleibt die Allseele selbst dabei der ύλη fern
und nur ein Teil ihres Wesens, der Teilseelen, strömt wie Licht in
sie nieder2. So bildet sich in der ύλη ein Bild, und aus diesem gebiert
die ύλη eine zweite Seele, von welcher der δημιουργός abstammt3.
Dabei leidet diese Ψυχή und der δημιουργός, ja die Teilseelen
ebenso in dieser Vermischung mit der ύλη (cap. 6 Schluß). Die
Ähnlichkeit mit der manichäischen Lehre einerseits, mit der des
Poimandres anderseits liegt auf der Hand. Im Poimandres (§ 12ff.)
schafft der höchste Gott (nach der eigentlichen Weltschöpfung,
die seine andern Söhne schon vollzogen haben) den mannweib-
lichen Urmenschen, der aus Licht und Leben besteht; dieser will
auch schöpferisch tätig sein, um die Kraft des über dem Feuer
thronenden Bösen zu bändigen4. So zerreißt er die Sphären und
schaut auf die niedere φύσις herab; sein Bild fällt auf das Wasser
1 Auch im Poimandres erscheint der Urmensch mit dem δημιουργός
verbunden.
2 So kommen cap. 8 Schluß die Teilseelen gezwungen von der Allseele
in die (ίλη. Ich darf an die Vorstellung von der Πηγή erinnern.
3 An anderen Stellen scheint diese zweite Seele selbst die Schöpferin.
4 Deutliche Entlehnung aus dem schon im Eingang benutzten iranischen
Mythos (zwischenein schieben sich ägyptisch-hellenistische Bestandteile).
 
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