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Reitzenstein, Richard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1917, 10. Abhandlung): Die Göttin Psyche in der hellenistischen und frühchristlichen Literatur — Heidelberg, 1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.37643#0051
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Die Göttin Psyche.

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ziehen; der Name ist später noch oft verwendet, wie der des Zoroaster,
Ostanes u. a.1 Ebensowenig wage ich von vornherein zu sagen,
ob es sich in ihr um den Aufstieg der Einzelseele oder jener Göttin
Seele gehandelt hat, die als deren Vorbild gefaßt wird. Daß auch
letzteres früh geschehen sein muß, zeigen die später zu besprechenden
Nachahmungen im Mythos von dem Urmenschen. Nun besitzen wir
eine arabisch erhaltene Mahnrede des Gottes Hermes an die Seele;
Hermes ist vom Himmel zu ihr herabgekommen und will sie belehren,
wie sie zum Himmel zurückkehren kann2. Diese Grundfiktion, die
der gut bezeugte, durch Einleitung und Text gesicherte Titel vor-
aussetzt, wird jetzt verständlich, und für diese eine Schrift darf
als sicher gelten, daß die 'Seele’ zunächst als Göttin gefaßt war.
Ein προτρεπτικός λόγος an die menschliche Seele wäre beispiellos
in der antiken Literatur und noch befremdlicher durch seine Zu-
weisung an einen Gott. Belehrt Gott Hermes eine jüngere Gott-
heit, die nur als Vertreterin der Menschenseelen gilt, so tritt die
Schrift damit in die Tradition und Tendenz der Hermetischen
Literatur ein, die ihre Lehren ja immer in ähnlicher Einkleidung
bietet. Bedeutungsvoll wird dann, daß in der κοσμοπο na des
Asonakes Hermes wirklich die Göttin Psyche zum Himmel empor-
führt3. Tatsächlich ist, wie der nächste Abschnitt zeigen wird,
die Göttin Psyche auch in die Hermetische Literatur eingedrungen.
Nun sehen wir jetzt mit hinlänglicher Deutlichkeit, wie die alche-
mistischen und astrologischen ähnlichen Schriften aus dem Grie-
chischen zunächst ins Syrische und aus diesem ins Arabische
übergingen und dabei mannigfach durch Zusätze bereichert und
umgestaltet wurden, dennoch aber die Grundzüge ihres Wesens
unverändert beibehielten4. Eine ähnliche Entwicklung ist für die
religiöse Literatur bezeugt; Barhebraeus kennt die Übersetzung
eines Hermetischen an Tat gerichteten Corpus5 und El-Kindl
bezeugt noch tief im Mittelalter bei den Harranitern den Gebrauch
Hermetischer philosophisch-religiöser Literatur6. Wir sind durchaus
1 Vgl. Dieterich, Jahrbücher f. Phil. Supplem. XVI 753ff.
2 Herausgegeben von O. Bardenhewee, Hermetis Trismegisti qui
apud Arabas ferlur de castigatione animae Uber, Bonn 1873. Den ersten Teil
übersetzte schon vorher ins Deutsche H. L. Fleischer, Hermes Trismegistos
an die menschliche Seele, Leipzig 1870.
3 Vorausgesetzt wird dieser Zug bekanntlich noch bei Apuleius.
4 Beispiele bietet unter anderem die Festschrift für Fr. C. Andreas.
5 Vgl. Bardenhewer, Praefat. IX.
3 Vgl. Chwolsohn, Die Ssabier II 13ff.
 
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