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R. Reitzenstein:
es, zu seinem Urgrund zurückzustreben; das ist für die Seele die
Vernunft und das Licht. Der Körper ist der Grund ihrer Verdunke-
lung; daher ist die Askese notwendig (Kap. V). Die Gesamtbe-
schaffenheit eines Dinges erkennt man aus kleinen Proben; so kennt
die Seele jetzt die Welt der Materie und (durch Hermes wieder) die
Welt der Vernunft und kann wählen. Glück liegt nur in der Ver-
einigung mit Gleichartigem, und zwischen Materie und Seele gibt
es nur Gegensätze. Will sie zur Welt der Vernunft hinstreben, so
muß sie den Weg lernen, den sie Station für Station zu durch-
wandern hat, um den Ort der Ruhe zu erreichen. Sie muß sich
dann hüten, diesen Weg zu vergessen, hat sie ihn aber vergessen,
sich an die Berichte derer zu halten, die ihn durchwandert haben
und kennen; das sind ihre Wegweiser und die Leuchten in der
Finsternis1. Wie vornehme Fremdlinge kommen die Seelen in die
materielle Welt, um hier durch Erfahrung zu lernen. Dabei ver-
gessen viele, durch die Sinneswahrnehmungen abgezogen, die
frühere Heimat ganz und sind daher für die Welt der Vernunft
gestorben. Kehrt die Erinnerung ihnen zurück, so werden sie
wieder lebendig oder von ihrem Siechtum geheilt; dann streben
sie, in die Welt des wahren Schauens und des Lebens zurückzu-
kehren. Das soll die Seele erwägen, um den Weg nach oben und
die Kraft zur Heimkehr zu finden (Kap. VI).
Mit Kap. VII fängt eine ganz neue Rede an; die Seele hat
lange nicht folgen wollen; Hermes beginnt mit einem ärgerlichen
Quousque tandem und droht wieder seines Weges zu gehen. Be-
ständig werden Gedanken aus der ersten Rede wiederholt, so das
Gleichnis von den vornehmen Fremden VI 8. 9 fast wortgetreu
ΛΗΙ 4. Ein Fortschritt ist nicht zu bemerken, wohl aber zahlreiche
Widersprüche. Ich ward auf sie aufmerksam, als ich XI 6 las, die
Seele sei in die Welt der Finsternis gekommen, um diese mit ihrem
Lichte zu bekämpfen. Das ist handgreiflich persische, d. h. für diese
Zeit manichäische Grundanschauung2. Hierdurch aufmerksam ge-
macht, prüfte ich die besonders von Jos. Kroll betonten Wider-
sprüche und fand, daß alle schwereren sich auf die beiden Hälften
1 Also Hermes, der den Weg heraufgestiegen und jetzt wieder herab-
gekommen ist.
2 Freilich wird dann wieder im nächsten Paragraphen auch eine Art
Sündenfall der Seele angenommen; doch scheinen ähnliche Inkonsequenzen
auch bei Manichäern vorgekommen zu sein. Sie sind erklärt, wenn das eine
Mal von der Weltseele, das ander Mal von den Teilseelen die Rede ist.
R. Reitzenstein:
es, zu seinem Urgrund zurückzustreben; das ist für die Seele die
Vernunft und das Licht. Der Körper ist der Grund ihrer Verdunke-
lung; daher ist die Askese notwendig (Kap. V). Die Gesamtbe-
schaffenheit eines Dinges erkennt man aus kleinen Proben; so kennt
die Seele jetzt die Welt der Materie und (durch Hermes wieder) die
Welt der Vernunft und kann wählen. Glück liegt nur in der Ver-
einigung mit Gleichartigem, und zwischen Materie und Seele gibt
es nur Gegensätze. Will sie zur Welt der Vernunft hinstreben, so
muß sie den Weg lernen, den sie Station für Station zu durch-
wandern hat, um den Ort der Ruhe zu erreichen. Sie muß sich
dann hüten, diesen Weg zu vergessen, hat sie ihn aber vergessen,
sich an die Berichte derer zu halten, die ihn durchwandert haben
und kennen; das sind ihre Wegweiser und die Leuchten in der
Finsternis1. Wie vornehme Fremdlinge kommen die Seelen in die
materielle Welt, um hier durch Erfahrung zu lernen. Dabei ver-
gessen viele, durch die Sinneswahrnehmungen abgezogen, die
frühere Heimat ganz und sind daher für die Welt der Vernunft
gestorben. Kehrt die Erinnerung ihnen zurück, so werden sie
wieder lebendig oder von ihrem Siechtum geheilt; dann streben
sie, in die Welt des wahren Schauens und des Lebens zurückzu-
kehren. Das soll die Seele erwägen, um den Weg nach oben und
die Kraft zur Heimkehr zu finden (Kap. VI).
Mit Kap. VII fängt eine ganz neue Rede an; die Seele hat
lange nicht folgen wollen; Hermes beginnt mit einem ärgerlichen
Quousque tandem und droht wieder seines Weges zu gehen. Be-
ständig werden Gedanken aus der ersten Rede wiederholt, so das
Gleichnis von den vornehmen Fremden VI 8. 9 fast wortgetreu
ΛΗΙ 4. Ein Fortschritt ist nicht zu bemerken, wohl aber zahlreiche
Widersprüche. Ich ward auf sie aufmerksam, als ich XI 6 las, die
Seele sei in die Welt der Finsternis gekommen, um diese mit ihrem
Lichte zu bekämpfen. Das ist handgreiflich persische, d. h. für diese
Zeit manichäische Grundanschauung2. Hierdurch aufmerksam ge-
macht, prüfte ich die besonders von Jos. Kroll betonten Wider-
sprüche und fand, daß alle schwereren sich auf die beiden Hälften
1 Also Hermes, der den Weg heraufgestiegen und jetzt wieder herab-
gekommen ist.
2 Freilich wird dann wieder im nächsten Paragraphen auch eine Art
Sündenfall der Seele angenommen; doch scheinen ähnliche Inkonsequenzen
auch bei Manichäern vorgekommen zu sein. Sie sind erklärt, wenn das eine
Mal von der Weltseele, das ander Mal von den Teilseelen die Rede ist.