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Reitzenstein, Richard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1917, 10. Abhandlung): Die Göttin Psyche in der hellenistischen und frühchristlichen Literatur — Heidelberg, 1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.37643#0070
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70

R. Reitzenstein:

Jeder lebendige Körper besteht ans υλη und ψυχή: (§ 10) πάντα γάρ
σώματα ζώντα έμψυχα, τά δέ μή ζώντα υλη πάλιν καθ’ έαυτήν έστι, καί
ψυχή ομοίως καθ'5 έαυτήν τω ποιητή παρακειμένη τής ζωής αιτία1.
Darum heißt die ψυχή auch ένέργεια τοΰ θεού (§2); sie entspricht
in gewisser Weise dem Αιών, der δύναμις τοΰ θεοΰ genannt wird
(§ 3), aber zugleich auch die Σοφία θεού ist (ebenda)2. Er ist ein
bestimmtes Gottwesen, nicht der Begriff der Ewigkeit, sondern
Gott als Lebensspender. In den Vorstellungen von der Ψυχή wie
von dem Αιών mischen sich offenbar religiöse Traditionen mit
philosophischen Begriffsbildungen. Es ist, um ein Gegenbild aus
der Gnosis anzuführen, wohl ähnlich bei jenen christlichen Gnosti-
kern, deren vielbesprochenes Diagramm Celsus (bei Origenes
Contra Celsum VI 25) schildert: die neun Sphärenkreise umschließt
als zehnter der Leviathan, ή των όλων ψυχή oder, wie es danach
noch philosophischer heißt, ή διά των δλων πεφοιτηκυία ψυχή.
Auch hier bietet den eigentlichen Anlaß der Erfindung sicher eine
religiöse, bei vielen Völkern nachweisbare Vorstellung.
So bleibt uns nur noch eine Schrift3, von der uns Stobaios
(I 389, 5 ff. Wachsm.) umfangreiche Bruchstücke erhalten hat, die
Κόρη κόσμου. Sie bietet eine wieder anders gewendete Vorstellung,
die außerordentlich stark durch bewußte Nachahmung des plato-
nischen Timaios beeinflußt ist und dem Philologen eine zu-
nächst sehr unerfreuliche Aufgabe stellt, die Jos. Kroll a. a. 0.
144ff. und Zielinski, Archiv f. d. Religionswissensch. VIII 359ff.
und IX 45 ff. wenig gefördert haben. Ich hebe die Haupt -
1 Subjekt ist ψυχή καθ’ έαυτήν, Prädikat τω ποιητή παρακειμένη τής
ζωής αιτία. Eine Angabe über den Ort der Allseeie suche ich darin nicht
(leider scheinen die folgenden Sätze rettungslos verdorben). Auch im Ascle-
pius cap. 6 ist nicht von einer Weltseele die Rede: alimenta autem sunt bina,
animae (animi Codd. Thomas) et corporis, e quibus animalia constant. anima
mundi inquieta semper agitatione nutritur, Corpora ex aqua· et terra, inferioris
mundi alimentis, augescunt (die Seele lebt von der Bewegung der Welt, die
Körper von deren niederen Stoffen).
2 Das ist wichtig, da ein Gebet des großen Zauberpapyrus der National-
bibliothek Z. 1206ff. (Wessely, Denkschr. d. K. Akad. Wien, 1888 S. 74)
ebenfalls Σοφία h-εοΰ und Αιών identifiziert: ό κύριος έπεμαρτύρησέ σου τή Σοφία, 6
έστιν Αίώνι. Ich habe schon im Poimandres S. 140; 232,2 und öfter darauf
aufmerksam gemacht, daß die Σοφία der Valentinianer nicht notwendig aus
christlichen Vorstellungen zu stammen braucht; über den Αιών vgl. auch
Verhandl. des II. internationalen Kongresses für allg. Religionsgeschichte S. 317.
3 Denn XII (XIII) 14 zieht Ivroll nur durch ein Mißverständnis mit
herein; von einer Weltseele ist dort überhaupt nicht die Rede.
 
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