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Reitzenstein, Richard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1917, 10. Abhandlung): Die Göttin Psyche in der hellenistischen und frühchristlichen Literatur — Heidelberg, 1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.37643#0088
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R. Reitzenstein:

verschiedenartig umgebildet und so ausgestaltet hat, daß der dua-
listische Grundcharakter mehr und mehr verdunkelt wurde, so läßt
sich die Frage nicht mehr umgehen, wie zu ihm jener Mythos oder
jenes Märchen steht, das Apuleius in seine Metamorphosen auf-
genommen hat. Gewiß scheint sie zunächst weniger für den Reli-
gionsforscher als für den Philologen Bedeutung zu haben; handelt
es sich doch um ein Werk der Unterhaltungsliteratur und um
Einflüsse, die bewußt literarisches Schaffen auf die Umgestaltung
eines Mythos geübt haben müßte. Allein ein Zweck dieser Dar-
legungen ist für mich, an Beispielen zu zeigen, welche entschei-
dende Bedeutung die Scheidung der verschiedenen Formen der
Literatur und ihre philologische Behandlung für die Erkenntnis
der Geschichte der Religionen — natürlich auch der unseren -
hat. Mag denn das letzte Beispiel zeigen, daß umgekehrt auch die
Philologie der Religionsgeschichte nicht entraten kann, ja die
Religionsgeschichte recht betrieben von selbst zur Philologie wird.
ich stelle zunächst fest, daß es sich um eine direkte Übernahme
des iranischen Mythos, wie wir sie bisher annehmen konnten,
überhaupt nicht handelt. Nirgends finden wir in ihm den Eros
oder auch nur eine ähnliche göttliche Person, nirgends eine Erwäh-
nung der geheimen Ehe, des Mordversuches gegen den Gott, der
Verstoßung oder — um die anderen Prüfungen gar nicht zu er-
wähnen — der Wanderung in die Unterwelt nach dem Lebens-
wasser. Anderseits entsprechen wichtige Züge tatsächlich. Ich
hebe den einen besonders hervor, weil er in dem 'Märchen5 des
Apuleius ganz unverständlich ist: ein Orakel gebietet dem Vater
der Psyche : Montis in excelsi scopulo, rex, siste puellam Ornatam
mundo funerei thalami. Nec speres generum mortali Stirpe creatum,
Sed saevum cdque ferum vipereumque malum, Quod pinnis volitans
super aethera cuncta fatigat Flammaque et ferro singula debilitat,
Quod tremit ipse I ovis, quo numina terrif icantur Flu min a-
que horrescunt et Stygiae tenebrae. Die weitere Erzählung
zeigt, daß man dabei an ein drachenartiges Ungetüm denkt, welches
die Psyche verschlingen wird. Friedländers Versuch1 *, dies
Orakel und diese Vorstellung nur dadurch mit der Eros-Erzäh-
lung in Verbindung zu setzen und auf Eros umzudeuten, daß er
literarische Einwirkung eines Sappho-Fragmentes (40B4) annahm
1 Sittengeschichte5 I 483, weiter ausgeführt von Helm, Neue Jahrb. f. d.
klass. Altertum XXXIII S. 186.
 
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