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Reitzenstein, Richard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1917, 10. Abhandlung): Die Göttin Psyche in der hellenistischen und frühchristlichen Literatur — Heidelberg, 1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.37643#0090
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90

R. Reitzenstein:

Apuleius beschreibt. Aber in die Hauptfassung der Kosmogonie,
die ich § 1 angegeben habe, läßt sich dies Bruchstück in keiner
Weise einftigen. Es nimmt auf eine eigene Ausgestaltung des
Mythos von Psyche Bezug, die zu der Kosmogonie ähnlich stehen
mag wie der Mythos von dem Drachenkampf, den ich in der Fest-
schrift für Prof. Andreas hoffe wiederhergestellt zu haben, zu
dem Mythos vom Urmenschen (vgl. oben S. 16ff.). Jedenfalls gibt
diese eine Stelle den vollgültigen Beweis, daß Psyche wirklich
eine iranische Gottheit ist und nicht etwa in die Listen der Turfän-
Fragmente zusammen mit Jesus aus einem gnostischen System
gekommen ist1.
Allein das Fragment hat noch nach einer anderen Seite Wich-
tigkeit. Die von Wessely geahnte, von Dieterich zuerst erkannte
Bedeutung der Zauberpapyri liegt darin, daß sie in Vers und Prosa
Reste der religiösen Literatur ihrer Zeit enthalten. Nun habe ich
früher schon2 darauf verwiesen, daß in den Zauberpapyri Eros
und Psyche als Gottheiten Vorkommen und bestimmte Bilder
von ihnen beschrieben werden; doch hat der damals noch nicht
aufzuklärende Umstand, daß Psyche' dabei zugleich als Vertre-
terin der Einzelseele erscheint, bisher verhindert, daß man auf die
Darstellungen und Gebete überhaupt einging. Nun findet sich
im Papyrus V von Leiden ein Liebeszauber unter dem Titel Πάρεδρος
’Έρως, den Dieterich Jahrbücher Supplement XVI 794ff. heraus-
gegeben hat. Der Zauberer soll auf einer langen Basis3 aus Wachs
eine Gruppe hersteilen: Eros in der rechten Hand die Fackel
tragend, in der linken Bogen und Pfeil, womit er die Psyche, die
zu seiner Rechten steht, treffen will. Das Gebet, das man beim
Opfer vor diesem Bilde sprechen soll, beginnt: επικαλούμαι σε
[τ]όν έν prj καλή κοίττ), τ[όν] εν τω ποΤεινω οίκοι. Das schien mir
schon damals auf den Palast des Eros bei Apuleius zu gehen;
das manichäische Fragment hat jetzt die volle Bestätigung
1 Wir mußten mit dieser Möglichkeit rechnen, solange nur die Listen
Vorlagen, weil Theodor bar Khöni die Psyche nicht erwähnt. Jetzt zeigt
sich, daß bei den Manichäern nur Jesus für eine ursprünglich andere Licht-
gottheit eingesetzt ist. Doch gehe ich hierauf nicht ein.
2 Das Märchen von Amor und Psyche bei Apuleius S. 79ff. Dort auch der
vollere Text nach den Berichtigungen, die Dr. Preisendanz mir gütigst
zur Verfügung gestellt hatte.
3 Das Vorbild war also der Malerei oder Reliefkunst entnommen.
 
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