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Reitzenstein, Richard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1917, 10. Abhandlung): Die Göttin Psyche in der hellenistischen und frühchristlichen Literatur — Heidelberg, 1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.37643#0104
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104

R. Reitzenstein:

im Dunkeln naht, teilt Psyche das Lager. Trotz seines Verbotes
macht sie, in feindlicher Stimmung gegen ihn, den Versuch ihn zu
sehen, erblickt Eros in seiner Götterschönheit und wird jetzt von
wahrer Liebe ergriffen. Eros muß irgendwie dabei schwach und
hilflos geworden sein; die reuige Psyche gibt ihm den Beweis
ihrer Liebe und Treue, indem sie das Lebenswasser aus der Unter-
welt für ihn holt. Sie schenkt es ihm ein, worauf er, wiederbelebt
und versöhnt, sie in die Arme schließt. Mit dem Fläschchen als
Beweis ihrer Treue eilt er zu dem Göttervater, darf ihr zum Ent-
gelt den Nektartrank bringen, der sie zur Göttin macht, und führt
sie selbst im Nachen über den Himmelsozean ins Beich der seligen
Götter1.
Das ist freilich kein orientalischer Mythos mehr, aber wir
können doch vielleicht verstehen, wie auf Grund eines solchen My-
thos diese Dichtung in einem Griechen entstehen konnte. Gegeben
war ihm der Name und Begriff der Psyche, unverständlich oder
unsympathisch die Adelleicht auch in seiner Vorlage schon A^er-
dunkelte dualistische Grundanschauung; den Geist der Materie,
Sinnenfreude und Sinnenlust, als das Ungetüm, den Feind Gottes
und der Psyche, zu fassen war ihm unmöglich. Aber eine gerade
in früh-alexandrinischer Zeit von Dichtern Avieder viel behandelte
Frage bot eine Art Auskunft: AVer ist. Eros, der Sohn des Chaos,
bezw. der uranfänglichen Nacht, oder der jugendliche, leuchtende
Gott, oder beides zugleich ? Oder gibt es ZAvei verschiedene Göt-
ter2 ? Die Lösung, die hier gefunden wird, ist eigenartig, aber
echt griechisch und poetisch. Zur Psyche gehört der Eros not-
1 Die völlig willkürliche Voraussetzung Helms, die erste griechische
Fassung müsse in allen Kleinigkeiten, selbst in dem Stil dem Apuleius ent-
sprochen haben, ist damit widerlegt.
2 Es ist charakteristisch, daß die beiden Zaubergebete, die Eros mit
Psyche verbinden, also von dieser Dichtung indirekt mit beeinflußt sein
können, beide so stark die Doppelheit im Wesen des Eros. betonen. Im
Πάρεδρος ’Έρως (oben S. 90) ist er der jugendliche Sonnengott und der
Drache der Finsternis, im Ξίφος Δαρδάνου (Wessely, Denkschrift d. K. Akad.
Wien, 1888 S. 87 Z. 1716ff.) wird er mehr im Sinne griechischer Dichtung
beschrieben, doch wirkt der Gegensatz fühlbar nach: er ist der πρωτοφανής,
νυκτιφανής, νυκτιγενέτωρ und der μελαμφαής,ό τούς σώφρονας λογισμούς έπικα-
λυπτων και σκοτεινόν έμπνέων οίστρον, ό κρύφιμ,ος καί λά8-ρα έπινεμόμενος πάσαις
ψυχαϊς, πΰρ άθ-εώρητον Γέννας βαστάζων, τά πάντα έμψυχα ού κοπιώντα βασανίζων,
άλλα με-9·’ ήδονής οδυνηρά τέρψει (man fühlt die nachträgliche Abschwächung),
von ihm heißt es σύ καί έντυγχανόμενος (?) λύπην φέρεις. Und doch ist er
auch wieder der Erhalter der Welt und heißt selbst σώφρων.
 
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