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Reitzenstein, Richard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1917, 10. Abhandlung): Die Göttin Psyche in der hellenistischen und frühchristlichen Literatur — Heidelberg, 1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.37643#0107
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Die Göttin Psyche.

107

licher Literatur dem zweiten und wohl größeren griechischen
Dichter zu begegnen.
Es bleibt mir, um diese Annahme glaublich zu machen, noch
übrig zu erweisen, daß auch in der Zeit des Apuleius selbst in
Ägypten derartige alte oder vermeintlich alte Göttermythen noch
zur Unterhaltung verwendet oder neu stilisiert werden. Ich benutze
dabei gern die Gelegenheit, zu dem schönen Funde eines nahen
Freundes eine Ergänzung als Dankeszoll beizufügen. W. Spie-
gelberg hat in den Sitzungsberichten der Berliner Akademie 1915
S. 876ff. Mitteilungen über einen demotischen Papyrus des ersten
oder zweiten nachchristlichen Jahrhunderts gemacht, der einen
alten Mythos von der Göttin Tefnut, der Tochter des Sonnen-
gottes Re, bietet. Sie hat die Heimat verlassen, kehrt aber, von
den Gesandten ihres Vaters, den Göttern Schu und Thot, zur
Heimkehr bewogen, mit ihnen zurück1. Diese mythische No-
velle, wie Prof. Spiegelberg das γένος benennt, wird in gekün-
stelter Literatursprache, die dabei doch zugleich immer wieder
die gesprochene Sprache und ihre Nuancen wiedergeben will, zum
Zwecke anmutiger Unterhaltung vorgetragen. Schon damals2
glaubte ich die Fachgenossen auf das 'Märchen’ des Apuleius ver-
weisen zu dürfen, das sich mit dem Stil echter Märchen ähnlich
berührt, wie der von Spiegelberg besprochene 'ägyptische Mythus
vom Sonnenauge’ mit dem echter Tierfabeln. Jetzt bringt das
neueste Heft des Rheinischen Museums (1916 S. 360) uns von
B. A. Müller ein sorgfältiges Verzeichnis romanhafter Papyrus-
Bruchstücke und darin den Verweis auf einen schon 1893 in dem
Catalogue of additions to the manuscripts in the British Museum
in the years 1888—1893 beschriebenen längeren Papyrus, der
als 'appearently a romance bezeichnet wird; er stammt aus dem
zweiten Jahrhundert. Der Bearbeiter gibt als Probe einen Satz
κοιμηΤείσης δέ τής Τεοΰ άπεναντίον Διοσπόλεως, ασεβών . . Τος άφνω
επέστη καί ώς δορκάδα κυνηγεΐν ήμελλον3. τήν δέ δ λύγξ έγείρας έναλ-

1 Die Götter erscheinen dabei in Tiergestalt, Tefnut scheint die ihrige
in jedem Gau zu wechseln. Ihr Führer Thot behält im ägyptischen Text
seine Gestalt als Hundskopfaffe. Doch wäre es wohl zu kühn, auf die inhalt-
liche Ähnlichkeit mit dem Mythos von der Heimkehr der Psyche hier Gewicht
zu legen. Nur auf die Form kommt es mir an.
2 Festschrift für Fr. C. Andreas S. 48, 2.
3 So der Papyrus, richtig, wie der demotische Text zeigt, ήμελλεν der
Bearbeiter.
 
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