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Max Walleser:
deshalb die in den Pali-Kommentaren beliebte Methode der Wort-
erklärung vermittelst synonymer Begriffe als unzuverlässig betrachten
dürfen ? Wer sich selbst schon mit der Definition psychologischer
Begriffe befaßt hat, wird diese Frage mit derselben Selbstverständ-
lichkeit verneinen wie der Mathematiker den Einwand, seine Methode,
vermittelst unendlich kleiner Größen zu operieren, sei unwissen-
schaftlich und könne keine genauen Resultate liefern.1)
Es mag aber sogar richtig sein, daß jede begriffliche Erklärung
infolge der Unzulänglichkeit der menschlichen Sprache ein nie-
mals zu verwirklichendes Postulat bleibt: sollen wir deshalb an-
nehmen, daß zwei begrifflich verwandte Ausdrücke, wie nach den
Pali-Kommentaren arana und mettä, durchaus inkongruent sind?
Im Gegenteil: wenn eine völlige Deckung des Begriffsumfangs und
-inhalts sich auch niemals wird herbeiführen lassen, so wird doch
die Übereinstimmung in vielen Fällen eine annähernde, in manchen
sogar eine fast vollkommene sein können. So haben auch die Be-
griffe arana und mettä das meiste miteinander gemeinsam; wer von
den Gefühlen der mettä (wohlgemerkt, eines spezifisch buddhistischen
Begriffes!) durchdrungen ist, ist von Haß und Streit entfernt, und
umgekehrt, wer von Streit nichts wissen will, wird eben in den
meisten Fällen von menschenfreundlichen, besser gesagt: von metta-
Gefühlen beseelt sein, wenn es ja auch richtig sein mag, daß auch
andere Motive für die Abneigung gegen Streit und Lärm — beides
ist in dem Begriff von rana enthalten — bestimmend sein können.
So möchte ich denn meine Einwände gegen die oben wiedergegebene
Argumentation la Vallee Poussins kurz so präzisieren: 1) der Unter-
schied zwischen arana- und mettävihära ist nicht radikal, sondern
betrifft nur Unwesentliches; 2) von einer absoluten Identität ihres
Gebrauches im Kommentar zum Petavatthu kann zwar keine Rede
sein, sie ist aber auch gar nicht beabsichtigt; 3) mettävihära und
aranavihära können noch in gewissem Umfange als synonym be-
trachtet werden. Im übrigen verzichtet la Vallee darauf, selbst eine
Erklärung des Wortes vorzuschlagen, und auch seine Wiedergabe
der fraglichen Strophe des Petavatthu ist insofern für die Inter-
pretation von arana belanglos, als er dieses Wort unübersetzt läßt.
Erheblich näher kommt er indessen dieser Lösung in der sich
anschließenden Prüfung der Stellen des Abhidharmako^a, wo von
1) Über die Begriffserklärung in den Pali-Kommentaren vgl. meine „Phil.
Grundl. des alt. Buddhismus“, p. 97.
Max Walleser:
deshalb die in den Pali-Kommentaren beliebte Methode der Wort-
erklärung vermittelst synonymer Begriffe als unzuverlässig betrachten
dürfen ? Wer sich selbst schon mit der Definition psychologischer
Begriffe befaßt hat, wird diese Frage mit derselben Selbstverständ-
lichkeit verneinen wie der Mathematiker den Einwand, seine Methode,
vermittelst unendlich kleiner Größen zu operieren, sei unwissen-
schaftlich und könne keine genauen Resultate liefern.1)
Es mag aber sogar richtig sein, daß jede begriffliche Erklärung
infolge der Unzulänglichkeit der menschlichen Sprache ein nie-
mals zu verwirklichendes Postulat bleibt: sollen wir deshalb an-
nehmen, daß zwei begrifflich verwandte Ausdrücke, wie nach den
Pali-Kommentaren arana und mettä, durchaus inkongruent sind?
Im Gegenteil: wenn eine völlige Deckung des Begriffsumfangs und
-inhalts sich auch niemals wird herbeiführen lassen, so wird doch
die Übereinstimmung in vielen Fällen eine annähernde, in manchen
sogar eine fast vollkommene sein können. So haben auch die Be-
griffe arana und mettä das meiste miteinander gemeinsam; wer von
den Gefühlen der mettä (wohlgemerkt, eines spezifisch buddhistischen
Begriffes!) durchdrungen ist, ist von Haß und Streit entfernt, und
umgekehrt, wer von Streit nichts wissen will, wird eben in den
meisten Fällen von menschenfreundlichen, besser gesagt: von metta-
Gefühlen beseelt sein, wenn es ja auch richtig sein mag, daß auch
andere Motive für die Abneigung gegen Streit und Lärm — beides
ist in dem Begriff von rana enthalten — bestimmend sein können.
So möchte ich denn meine Einwände gegen die oben wiedergegebene
Argumentation la Vallee Poussins kurz so präzisieren: 1) der Unter-
schied zwischen arana- und mettävihära ist nicht radikal, sondern
betrifft nur Unwesentliches; 2) von einer absoluten Identität ihres
Gebrauches im Kommentar zum Petavatthu kann zwar keine Rede
sein, sie ist aber auch gar nicht beabsichtigt; 3) mettävihära und
aranavihära können noch in gewissem Umfange als synonym be-
trachtet werden. Im übrigen verzichtet la Vallee darauf, selbst eine
Erklärung des Wortes vorzuschlagen, und auch seine Wiedergabe
der fraglichen Strophe des Petavatthu ist insofern für die Inter-
pretation von arana belanglos, als er dieses Wort unübersetzt läßt.
Erheblich näher kommt er indessen dieser Lösung in der sich
anschließenden Prüfung der Stellen des Abhidharmako^a, wo von
1) Über die Begriffserklärung in den Pali-Kommentaren vgl. meine „Phil.
Grundl. des alt. Buddhismus“, p. 97.