Die Isisweihe bei Apuleius und verwandte Initiations-Riten.
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I.
Die Untersuchung hat selbstverständlich von jener berühm-
ten Stelle auszugehen, in der Apuleius das Hauptstück der Initi-
ations-Feier zu Kenchreä, die nächtliche Weihe, beschreibt: XI 23
am Ende. Er tut es mit Worten, deren Gliederung im einzelnen
ebenso problematisch ist wie ihre Bedeutung im ganzen: accessi
confinium mortis et calcato Proserpinae limine per omnia uectus
elementa remeaui, nocte media uidi solem candido coruscantem
lumine, deos inferos et deos superos accessi coram et adoraui de
proxumo.
Der einzige Hinweis, den der Autor selbst für die Deutung
gibt, steht XI 21 ipsamque traditionem ad instar uoluntariae
mortis et precariae salutis celebrari . . . Die Weihe — denn nichts
anderes ist traditio1 — ein Bild des Todes und der gnädigen Er-
rettung vom Tode: darnach hat sich die Interpretation zu richten.
Im Blick auf die XI 24 geschilderte Szene, in der der Neugeweihte
dem hereinströmenden Volk als Gott präsentiert wird, dürfen
wir schon jetzt hinzufügen, daß dieses neu geschenkte Leben
von göttlicher Art ist: das Ganze ist ein άπαΤανατισμός2. Die
Rettung vom Tode, precaria salus, kommt in unserer Stelle offen-
bar in dem Worte remeaui zum Ausdruck: von Proserpinas Schwelle
kehrt der Myste nach einer Fahrt durch die Elemente glücklich
zurück3. Dann kann der Satz accessi confinium mortis nicht bloß
große Todesgefahr beschreiben; er soll nicht bloß ausdrücken, daß
„die Seele nur mit einem ganz dünnen Faden am Körper hängt“,
wie de Jong S. 230 es mit den Worten eines Mediums darstellt.
Vielmehr muß ein Hineinschreiten vorangegangen sein, wo von
einer Rückkehr die Rede ist.
1 Die Belege für παράδοσις, παραδιδόναι und tradere in den Mysterien
stellen bei Lobeck, Aglaophamus I 39 Anm., und bei Anrich, Das antike
Mysterienwesen in seinem Einfluß auf das Christentum S. 54 Anm. 4.
2 Mit Recht tadelt Reitzen stein Archiv YII 406 Anm. 1 es an de
Jongs Dissertation, daß sie diesen Gesichtspunkt außer Acht lasse. Aber
R. selber wendet ihn dann auf das reinigende Bad XI 23 an, während doch
textgemäß die Darstellung des freiwilligen Todes einzig in accessi confinium
mortis gefunden werden kann. Welche Bedeutung jene „Taufe“ hatte, ob sie
wirklich eine parallele άναγέννησις war, darüber läßt uns Apuleius im
unklaren. Darum können wir nicht von einem Deutungsversuch dieser Zere-
monie ausgehen.
3 Vgl. Vallette, L’Apologie d’Apulee (Paris 1908) S. 281: l’initie
accomplissait un voyage au pays des trepasses. C’etait lä le fait Capital, et
le point culminant de la ceremonie, c’etait le retour de la mort ä la vie.
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I.
Die Untersuchung hat selbstverständlich von jener berühm-
ten Stelle auszugehen, in der Apuleius das Hauptstück der Initi-
ations-Feier zu Kenchreä, die nächtliche Weihe, beschreibt: XI 23
am Ende. Er tut es mit Worten, deren Gliederung im einzelnen
ebenso problematisch ist wie ihre Bedeutung im ganzen: accessi
confinium mortis et calcato Proserpinae limine per omnia uectus
elementa remeaui, nocte media uidi solem candido coruscantem
lumine, deos inferos et deos superos accessi coram et adoraui de
proxumo.
Der einzige Hinweis, den der Autor selbst für die Deutung
gibt, steht XI 21 ipsamque traditionem ad instar uoluntariae
mortis et precariae salutis celebrari . . . Die Weihe — denn nichts
anderes ist traditio1 — ein Bild des Todes und der gnädigen Er-
rettung vom Tode: darnach hat sich die Interpretation zu richten.
Im Blick auf die XI 24 geschilderte Szene, in der der Neugeweihte
dem hereinströmenden Volk als Gott präsentiert wird, dürfen
wir schon jetzt hinzufügen, daß dieses neu geschenkte Leben
von göttlicher Art ist: das Ganze ist ein άπαΤανατισμός2. Die
Rettung vom Tode, precaria salus, kommt in unserer Stelle offen-
bar in dem Worte remeaui zum Ausdruck: von Proserpinas Schwelle
kehrt der Myste nach einer Fahrt durch die Elemente glücklich
zurück3. Dann kann der Satz accessi confinium mortis nicht bloß
große Todesgefahr beschreiben; er soll nicht bloß ausdrücken, daß
„die Seele nur mit einem ganz dünnen Faden am Körper hängt“,
wie de Jong S. 230 es mit den Worten eines Mediums darstellt.
Vielmehr muß ein Hineinschreiten vorangegangen sein, wo von
einer Rückkehr die Rede ist.
1 Die Belege für παράδοσις, παραδιδόναι und tradere in den Mysterien
stellen bei Lobeck, Aglaophamus I 39 Anm., und bei Anrich, Das antike
Mysterienwesen in seinem Einfluß auf das Christentum S. 54 Anm. 4.
2 Mit Recht tadelt Reitzen stein Archiv YII 406 Anm. 1 es an de
Jongs Dissertation, daß sie diesen Gesichtspunkt außer Acht lasse. Aber
R. selber wendet ihn dann auf das reinigende Bad XI 23 an, während doch
textgemäß die Darstellung des freiwilligen Todes einzig in accessi confinium
mortis gefunden werden kann. Welche Bedeutung jene „Taufe“ hatte, ob sie
wirklich eine parallele άναγέννησις war, darüber läßt uns Apuleius im
unklaren. Darum können wir nicht von einem Deutungsversuch dieser Zere-
monie ausgehen.
3 Vgl. Vallette, L’Apologie d’Apulee (Paris 1908) S. 281: l’initie
accomplissait un voyage au pays des trepasses. C’etait lä le fait Capital, et
le point culminant de la ceremonie, c’etait le retour de la mort ä la vie.