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Dibelius, Martin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1917, 4. Abhandlung): Die Isisweihe bei Apuleius und verwandte Initiations-Riten — Heidelberg, 1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.37637#0006
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Martin Dibelius :

So hebt sich aus unserer Schilderung ein erster Teil ab: von
accessi bis remeaui wird der Eingang des Mysten ins Reich des
Todes und seine Rückkehr beschrieben. Der folgende Satz schil-
dert, wie der Myste die Sonne sieht; von vornherein dürfen wir
vermuten, daß auch dieser Akt irgendwie unter das Stichwort
ad instar precariae salutis gehört. Vielleicht helfen die nächsten
Worte: deos inferos et deos superos accessi coram et adoraui de
proxumo. Die Stellung der inferi vor den superi ist auffällig1,
zumal wenn man das Gebet XI 25 vergleicht: te superi colunt,
obseruant inferi; aber sie erklärt sich restlos, wenn der Satz die
vorher geschilderten Handlungen noch einmal zusammenfaßt:
den inferi ist der Myste in Proserpinas Reich begegnet, die superi
hat er dort geschaut, wo ihm der Sonne weißglänzendes Licht
entgegenstrahlte. Daß diese Sonnenschau in der Tat eine Gottes-
schau war, wird von vornherein glaublich erscheinen und läßt sich
aus anderen Zeugnissen bestätigen (s. unten); hier, wo nur der
Text des Apuleius das Wort haben soll, genügt es auf XI 24 hinzu-
weisen: Lucius wird dort als Gott, in uicem simulacri, aufge-
stellt und ist dabei geschmückt ad instar Solis — das macht die
Gleichung Sonnenschau = Gottesschau wahrscheinlich genug, um
einen Versuch mit der vorgetragenen Erklärung zu wagen. Dann
wäre dies der Inhalt des ganzen Abschnittes: Eingang ins Totenreich,
Schau der dii inferi, glückliche Rückkehr verbunden mit einer Fahrt
durch alle Elemente; Lichterscheinung und Schau der dii superi.
Diese Deutung gibt uns zugleich Aufschluß über die Gliederung
des Abschnittes: nicht eine Reihe aufeinanderfolgender Akte
schildern die Worte, sondern auf die andeutende Darstellung der
Vorgänge folgt ein Satz, der ihre religiöse Bedeutung noch ein-
mal betont: Götter der Unterwelt, Götter der Oberwelt schaute
ich von Angesicht zu Angesicht. Zur Erklärung dieses Abschlusses
kommen zwei Motive in Frage: entweder will der Autor noch ein-
mal verkünden, welches Heil ihm widerfahren ist oder die offi-
zielle Sprache seines Kults veranlaßt ihn, jener Schilderung diese
zusammenfassende Deutung anzufügen.
1 Silv. de Sacy in der zweiten Ausgabe von Sainte Croix, Recher-
ches historiques et critiques sur les mysteres du paganisme, Paris 1817, II
S. 163 übersetzt: j’ai ete en presence des Dieux superieurs et inferieurs. Die-
selbe falsche Stellung· findet sich in der Übersetzung bei Jacoby, Die antiken
Mysterien-Religionen und das Christentum S. 40. Das Versehen ist charak-
teristisch. Über das genannte Werk von Silv. de Sacy vgl. de Jong, Disser-
tation S. 6.
 
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