Die Isisweihe bei Apuleius und verwandte Initiations-Paten.
27
selbst. Er muß im Kreise der superi oder an ihrer Spitze gedacht
werden, obwohl sein Name nicht noch einmal1 ausdrücklich erwähnt
wird. Denn zu seinem Bilde verwandelt erscheint Lucius in der
XI 24 geschilderten Szene. Auch zu dieser Verwandlung durch
Schau gibt wieder Paulus die beste Parallele, II. Gor. 3, 18: ημείς
δε πάντες άνακεκαλυμμένω προσώπω την δόξαν κυρίου κατοπτριζόμενοι
την αυτήν εικόνα μεταμορφούμεΤα από δόξης εις δόξαν.
So ist Gottesschau und Vergottung dieser kosmischen Wan-
derung letztes Ziel. Daß Lucius diese Wanderung unternehmen
darf, ist Gnade; jedem Unberufenen wäre sie gefährlich; Tod
brächte ihm der Gang in Proserpinas Reich, Verderben die Fahrt
durch die Elemente, plötzliche Vernichtung die Gottesschau im
Reich der dii superi. Aber Isis ist Herrin in allen diesen Bezirken;
unter ihrem Schutz schreitet der Myste „den ganzen Kreis der
Schöpfung aus“, in umgekehrter Richtung aber in gleicher kosmi-
scher Ausweitung wie das Faust-Drama, das „vom Himmel durch
die Welt zur Hölle“ führt. Indem Lucius diesen Weg ungefähr-
det zurücklegt, erweist er sich als gefeit gegen unterirdische, irdi-
sche und himmlische Gewalten; die Vergottung am Ende der Feier
verleiht dieser Überlegenheit Sicherung und Dauer. Die Ver-,
einigung mit Isis sofern von einer solchen die Rede sein kann2
— vollzieht sich also in diesem Ritus nicht in den anderswo ge-
brauchten Sakramenten des Mahles3, des ιερός γάμος, der Adop-
tion, sondern in dem der Wanderung durch den Kosmos. Die
sonst gefährliche Begegnung mit den Mächten des Todes und des
Schicksals wird durch freiwilliges Betreten ihrer Machtsphären
vorweggenommen und abgelöst; so wird der Myste zum Teilhaber
an der kosmischen Herrschaft seiner Göttin, zum Gliede eines
1 Es mag- dahingestellt bleiben, inwieweit sol in dem Satze uidi solem
candido coruscantem lumine, persönlich gefaßt ist. Wenn Sol hier etwa
als Inkarnation des höchsten Gottes gedacht ist, so läßt sich die Frage
erwägen, ob XI 30 in der Schilderung der Osiris-Epiphanie non inN alie-
nam quampiam personam reformatus darauf angespielt sein könnte; der
Passus wäre aber auch als negatives Gegenstück zu coram verständlich.
2 Vgh die durchaus „mystischen“ Schlußworte des Gebets XI 25:
diuinos tuos uultus numenque sanctissimum intra pectoris mei secreta con-
ditum perpetuo custodiens imaginabor und XI 24 inexplicabili üoluptate
simulacri diuini perfruebar.
3 Die heiligen Mahlzeiten am zweiten und dritten Tag XI 24 haben
natürlich nicht diese Bedeutung, da ja der Myste schon vorher dem Volk
als Sonnengott gezeigt ist.
27
selbst. Er muß im Kreise der superi oder an ihrer Spitze gedacht
werden, obwohl sein Name nicht noch einmal1 ausdrücklich erwähnt
wird. Denn zu seinem Bilde verwandelt erscheint Lucius in der
XI 24 geschilderten Szene. Auch zu dieser Verwandlung durch
Schau gibt wieder Paulus die beste Parallele, II. Gor. 3, 18: ημείς
δε πάντες άνακεκαλυμμένω προσώπω την δόξαν κυρίου κατοπτριζόμενοι
την αυτήν εικόνα μεταμορφούμεΤα από δόξης εις δόξαν.
So ist Gottesschau und Vergottung dieser kosmischen Wan-
derung letztes Ziel. Daß Lucius diese Wanderung unternehmen
darf, ist Gnade; jedem Unberufenen wäre sie gefährlich; Tod
brächte ihm der Gang in Proserpinas Reich, Verderben die Fahrt
durch die Elemente, plötzliche Vernichtung die Gottesschau im
Reich der dii superi. Aber Isis ist Herrin in allen diesen Bezirken;
unter ihrem Schutz schreitet der Myste „den ganzen Kreis der
Schöpfung aus“, in umgekehrter Richtung aber in gleicher kosmi-
scher Ausweitung wie das Faust-Drama, das „vom Himmel durch
die Welt zur Hölle“ führt. Indem Lucius diesen Weg ungefähr-
det zurücklegt, erweist er sich als gefeit gegen unterirdische, irdi-
sche und himmlische Gewalten; die Vergottung am Ende der Feier
verleiht dieser Überlegenheit Sicherung und Dauer. Die Ver-,
einigung mit Isis sofern von einer solchen die Rede sein kann2
— vollzieht sich also in diesem Ritus nicht in den anderswo ge-
brauchten Sakramenten des Mahles3, des ιερός γάμος, der Adop-
tion, sondern in dem der Wanderung durch den Kosmos. Die
sonst gefährliche Begegnung mit den Mächten des Todes und des
Schicksals wird durch freiwilliges Betreten ihrer Machtsphären
vorweggenommen und abgelöst; so wird der Myste zum Teilhaber
an der kosmischen Herrschaft seiner Göttin, zum Gliede eines
1 Es mag- dahingestellt bleiben, inwieweit sol in dem Satze uidi solem
candido coruscantem lumine, persönlich gefaßt ist. Wenn Sol hier etwa
als Inkarnation des höchsten Gottes gedacht ist, so läßt sich die Frage
erwägen, ob XI 30 in der Schilderung der Osiris-Epiphanie non inN alie-
nam quampiam personam reformatus darauf angespielt sein könnte; der
Passus wäre aber auch als negatives Gegenstück zu coram verständlich.
2 Vgh die durchaus „mystischen“ Schlußworte des Gebets XI 25:
diuinos tuos uultus numenque sanctissimum intra pectoris mei secreta con-
ditum perpetuo custodiens imaginabor und XI 24 inexplicabili üoluptate
simulacri diuini perfruebar.
3 Die heiligen Mahlzeiten am zweiten und dritten Tag XI 24 haben
natürlich nicht diese Bedeutung, da ja der Myste schon vorher dem Volk
als Sonnengott gezeigt ist.