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Franz Rosenzweig:
„diese Herren“ den moralischen Gottesbeweis derart „an der
Schnur zu ziehen“ wußten, bis das persönliche individuelle Wesen,
das da oben im Himmel sitzt, wieder heraussprang, das dünkte
dem Stiftler, dem es schon längst daheim „zu enge“ wurde, un-
erträglich. Die beiden großen Schriften, insbesondere die zweite,
die „Philosophischen Briefe“, waren bestimmt, diesem Unwesen
ein Ziel zu setzen. Auch die im Winter 96 auf 97 geschriebene
„Übersicht über die neue philosophische Literatur“ setzte den
Kampf noch fort. Er hatte diese Bedeutung für Schelling be-
kommen, weil ihm über Fichte der rein „praktische“ Charakter der
theoretischen Philosophie aufgegangen war. Dies ist, wie W. Metz-
ger richtig erkannt hat, der eigentliche Fortschritt von der Schrift
„Vom Ich“ zu den „Philosophischen Briefen“. In jener war noch
der Ichcharakter des „Unbedingten“ mehr eine sekundäre Eigen-
schaft gewesen; von ihrem „spekulativen Monismus“ (Metzger)
vollzog sich in der zweiten Schrift des Jahres 1795 der Fortschritt
zu einem „antispekulativen Ethizismus“, und das „Unbedingte“
der Briefe wurde jetzt erst eigentlich zum „Ich“, erst jetzt
tauchte — wieder nach Metzgers Worten — „Schelling . .
in den lebendigen Strom der Kantisch-Fichteschen Bewegung“.
Die Lehre von den Attributen des „Unbedingten“, die den eigent-
lichen Inhalt der Schrift vom Ich macht, faßt den Freiheitsbegriff
noch, gut. spinozistisch, als „absolute Macht“; an Stehe der abso-
luten Tat steht so noch ein absolutes Sein. Dem entspricht es,
wenn Descartes’ „Ich denke“ damals nicht durch die absolute
Handlung des Ichs, sondern durch die „immanenteste Behaup-
tung“, das „Ich bin“, ersetzt wurde. Deswegen geht der Kampf
gegen die Postulatenmetaphysik der Kantianer damals gegen ihr
Verfahren, aus moralischen Postulaten theoretische Ergebnisse,
„Objekte“, abzuleiten, statt daß man einsehe, wie das Gesetz der
Freiheit erst „Sinn und Bedeutung“ erhalte durch ein höheres
„Naturgesetz“ des Seins. So bezeichnet auch der Brief an Hegel
vom 4. II. 95, wo er dem Freunde seinen neuen „Spinozismus“
zu erklären sucht, den Standpunkt so, daß Unsterblichkeit zu
behaupten, Gott zu leugnen sei. Jene ist ihm eben, wie grade die
Schrift „Vom Ich“ ausführt, mit dem Sein des Ich zugleich auf-
gegeben, dieser aber als ein im Sinne der neuen Postulatentheologie
abgeleitetes Sein undenkbar, denn es gibt kein abgeleitetes „Sein“.
Die Philosophischen Briefe zeigen nun eine Verschiebung der
Front. Die Idee von Gott ist nunmehr, nachdem das Ich seinen
Franz Rosenzweig:
„diese Herren“ den moralischen Gottesbeweis derart „an der
Schnur zu ziehen“ wußten, bis das persönliche individuelle Wesen,
das da oben im Himmel sitzt, wieder heraussprang, das dünkte
dem Stiftler, dem es schon längst daheim „zu enge“ wurde, un-
erträglich. Die beiden großen Schriften, insbesondere die zweite,
die „Philosophischen Briefe“, waren bestimmt, diesem Unwesen
ein Ziel zu setzen. Auch die im Winter 96 auf 97 geschriebene
„Übersicht über die neue philosophische Literatur“ setzte den
Kampf noch fort. Er hatte diese Bedeutung für Schelling be-
kommen, weil ihm über Fichte der rein „praktische“ Charakter der
theoretischen Philosophie aufgegangen war. Dies ist, wie W. Metz-
ger richtig erkannt hat, der eigentliche Fortschritt von der Schrift
„Vom Ich“ zu den „Philosophischen Briefen“. In jener war noch
der Ichcharakter des „Unbedingten“ mehr eine sekundäre Eigen-
schaft gewesen; von ihrem „spekulativen Monismus“ (Metzger)
vollzog sich in der zweiten Schrift des Jahres 1795 der Fortschritt
zu einem „antispekulativen Ethizismus“, und das „Unbedingte“
der Briefe wurde jetzt erst eigentlich zum „Ich“, erst jetzt
tauchte — wieder nach Metzgers Worten — „Schelling . .
in den lebendigen Strom der Kantisch-Fichteschen Bewegung“.
Die Lehre von den Attributen des „Unbedingten“, die den eigent-
lichen Inhalt der Schrift vom Ich macht, faßt den Freiheitsbegriff
noch, gut. spinozistisch, als „absolute Macht“; an Stehe der abso-
luten Tat steht so noch ein absolutes Sein. Dem entspricht es,
wenn Descartes’ „Ich denke“ damals nicht durch die absolute
Handlung des Ichs, sondern durch die „immanenteste Behaup-
tung“, das „Ich bin“, ersetzt wurde. Deswegen geht der Kampf
gegen die Postulatenmetaphysik der Kantianer damals gegen ihr
Verfahren, aus moralischen Postulaten theoretische Ergebnisse,
„Objekte“, abzuleiten, statt daß man einsehe, wie das Gesetz der
Freiheit erst „Sinn und Bedeutung“ erhalte durch ein höheres
„Naturgesetz“ des Seins. So bezeichnet auch der Brief an Hegel
vom 4. II. 95, wo er dem Freunde seinen neuen „Spinozismus“
zu erklären sucht, den Standpunkt so, daß Unsterblichkeit zu
behaupten, Gott zu leugnen sei. Jene ist ihm eben, wie grade die
Schrift „Vom Ich“ ausführt, mit dem Sein des Ich zugleich auf-
gegeben, dieser aber als ein im Sinne der neuen Postulatentheologie
abgeleitetes Sein undenkbar, denn es gibt kein abgeleitetes „Sein“.
Die Philosophischen Briefe zeigen nun eine Verschiebung der
Front. Die Idee von Gott ist nunmehr, nachdem das Ich seinen