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Franz Rosenzweig:
theoretische Vernunft nennen, ist die im Dienste der praktischen
stehende Einbildungskraft. Gott und Unsterblichkeit gelten gleich.
Gegen die Postulatenlehre der Kantianer wird ein Kampf geführt,
der nur deswegen von Metzger für einen leeren Wortstreit
erklärt werden durfte, weil Metzger die Wendung des damaligen
Schelling zur ,,Erfahrung“ nicht in ihrer moralistischen Begrün-
dung erkannte, sondern, ausgehend von den „Ideen zu einer
Philosophie der Natur“, einen ursprünglich von erkenntnistheore-
tischen Motiven geleiteten Empirismus hier am Werk zu sehen
glaubt; Metzger hat bezüglich der „Ideen“ nicht geirrt, ihr Vor-
wort zum mindesten (das ja doch wohl zuletzt geschrieben sein
dürfte) steht wirklich unter der von Metzger entdeckten Kon-
stellation; zwar bleibt auch hier noch „das was bisher in der
theoretischen Philosophie Metaphysik war, künftig einzig und
allein der praktischen überlassen“, aber daneben wird nun für
die theoretische Philosophie ein Eigengebiet abgeschieden: „die
Prinzipien aller möglichen Erfahrung“; sie wird künftig eine Wissen-
schaft sein, „die der Physik vorangeht“; aber diese „methodologi-
sche“ Stellung zur Erfahrung ist nicht älter als die „Ideen“;
1796, noch in der „Allgemeinen Übersicht“, wird das Dasein der
Welt noch allein „moralisch“ begründet, und wenn Schelling da-
mals gegen den erkenntnistheoretischen Standpunkt Becks und
seinen Begriff der „ursprünglichen Vorstellung“ den des ursprüng-
lichen Willensaktes aufstellt, so hat das hierin seinen Grund.
Noch im Spätjahr 1796 also bestand der geschilderte Zusammen-
hang von Ich, Welt und Gott; die „Philosophischen Briefe“' von
1795 hatten ihn zuerst Umrissen.
*
„Da die ganze Metaphysik künftig in die Moral fällt — wovon
„Kant mit seinen beiden praktischen Postulaten nur ein Beispiel
„gegeben, nichts erschöpft hat, so wird diese Ethik nichts anderes
„als ein vollständiges System aller Ideen oder, was dasselbe ist,
„aller praktischen Postulate sein. Die erste Idee ist natürlich die
„Vorstellung von mir selbst, als einem absolut freien Wesen.
„Mit dem freien, selbstbewußten Wesen tritt zugleich eine ganze
„Welt aus dem Nichts hervor — die einzig wahre und gedenkbare
„Schöpfung aus Nichts.
* *
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Franz Rosenzweig:
theoretische Vernunft nennen, ist die im Dienste der praktischen
stehende Einbildungskraft. Gott und Unsterblichkeit gelten gleich.
Gegen die Postulatenlehre der Kantianer wird ein Kampf geführt,
der nur deswegen von Metzger für einen leeren Wortstreit
erklärt werden durfte, weil Metzger die Wendung des damaligen
Schelling zur ,,Erfahrung“ nicht in ihrer moralistischen Begrün-
dung erkannte, sondern, ausgehend von den „Ideen zu einer
Philosophie der Natur“, einen ursprünglich von erkenntnistheore-
tischen Motiven geleiteten Empirismus hier am Werk zu sehen
glaubt; Metzger hat bezüglich der „Ideen“ nicht geirrt, ihr Vor-
wort zum mindesten (das ja doch wohl zuletzt geschrieben sein
dürfte) steht wirklich unter der von Metzger entdeckten Kon-
stellation; zwar bleibt auch hier noch „das was bisher in der
theoretischen Philosophie Metaphysik war, künftig einzig und
allein der praktischen überlassen“, aber daneben wird nun für
die theoretische Philosophie ein Eigengebiet abgeschieden: „die
Prinzipien aller möglichen Erfahrung“; sie wird künftig eine Wissen-
schaft sein, „die der Physik vorangeht“; aber diese „methodologi-
sche“ Stellung zur Erfahrung ist nicht älter als die „Ideen“;
1796, noch in der „Allgemeinen Übersicht“, wird das Dasein der
Welt noch allein „moralisch“ begründet, und wenn Schelling da-
mals gegen den erkenntnistheoretischen Standpunkt Becks und
seinen Begriff der „ursprünglichen Vorstellung“ den des ursprüng-
lichen Willensaktes aufstellt, so hat das hierin seinen Grund.
Noch im Spätjahr 1796 also bestand der geschilderte Zusammen-
hang von Ich, Welt und Gott; die „Philosophischen Briefe“' von
1795 hatten ihn zuerst Umrissen.
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„Da die ganze Metaphysik künftig in die Moral fällt — wovon
„Kant mit seinen beiden praktischen Postulaten nur ein Beispiel
„gegeben, nichts erschöpft hat, so wird diese Ethik nichts anderes
„als ein vollständiges System aller Ideen oder, was dasselbe ist,
„aller praktischen Postulate sein. Die erste Idee ist natürlich die
„Vorstellung von mir selbst, als einem absolut freien Wesen.
„Mit dem freien, selbstbewußten Wesen tritt zugleich eine ganze
„Welt aus dem Nichts hervor — die einzig wahre und gedenkbare
„Schöpfung aus Nichts.
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