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Rosenzweig, Franz; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1917, 5. Abhandlung): Das älteste Systemprogramm des deutschen Idealismus: ein handschriftlicher Fund — Heidelberg, 1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.37638#0031
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Das älteste Systemprogramm des deutschen Idealismus.

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da uns nur eine Abschrift vorliegt, das betreffende vom Abschreiber
ausgelassen sein. Am zwanglosesten erklärt sich die Form doch,
wenn man annimmt, daß das Stück von Anfang an nichts weiter
gewesen ist als ein Programm, sei es nun, daß der Verfasser es an
seine Freunde als Beilage zu einem Brief geschickt hat, sei es,
daß es die Grundlage oder Ausarbeitung einer Ansprache darstellt;
für die Vermutung der Ansprache spricht wohl der unmittelbare
Eindruck. Unter der Voraussetzung nun der Schellingschen Ver-
fasserschaft ist es auffallend, daß der Briefwechsel zwischen
Schelling und Hegel, sowie auch Hegels bald nach der Nieder-
schrift abgefaßter Brief an Hölderlin mit keinem Worte des
Stückes erwähnt; allerdings fehlt gerade aus der fraglichen Zeit
mindestens ein Brief Hegels (vgl. Briefe von und an Hegel I 26),
auf den Schelling am 20. VI. 96 antwortete. Da aber Schellings
Antwort auch in einem Zusammenhang, wo eine Erwähnung nahe-
läge (nämlich in dem Schlußabsatz des Briefs) nicht auf unser
Manuskript anspielt, so darf als sicher gelten, daß es Hegel ent-
weder damals noch nicht oder schon vor längerer Zeit bekannt
gegeben war. Gegen beide Möglichkeiten läßt sich nichts sagen.
Daß Hegel den Schellingschen Brief vom 20. VI. unbeantwortet
gelassen habe, ist nicht wahrscheinlich; ganz abgesehen von dem
intim persönlichen Schluß verlangte auch die darin behandelte
Anstellungsangelegenheit eine Antwort. Ferner ist, was den Her-
ausgebern der Hegelschen wie der Schellingschen Briefe entgangen
zu sein scheint, auch zwischen Schellings Brief vom Januar 96
und dem Hegelschen vom Juni 96, auf welchen Schelling am 20. VI.
antwortete, mindestens noch ein Schellingscher, wahrscheinlich
also auch vorher ein Hegelscher, verloren; denn Schelling hat nach
den Eingangsworten seines Briefes vom 20. VI. an Hegel zuvor
schon einmal in der Anstellungssache geschrieben, und da im Brief
vom Januar 96 davon nicht die Rede ist, so ist der betreffende
Brief verloren gegangen. So darf also das Stillschweigen des uns
erhaltenen Teils des Schelling-Hegelschen Briefwechsels nicht als
Beweis herangezogen werden. Möglich bleibt auch, daß Hegel das
Stück gar nicht unmittelbar vom Verfasser, sondern von einem
aus dem Kreise, in welchem es etwa als Rede vorgetragen wurde,
übermittelt bekommen hätte, und daß er die Abschrift genommen
hätte, weil er das ihm zugegangene Exemplar zurückschicken
mußte. Aber alle diese Möglichkeiten bleiben, bis auf weiteres,
Möglichkeiten.
 
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