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Franz Rosenzweig:
„verschwistert“ sind. Aber weder faßt sie ihrer ganzen antifich-
tisch-spmozistischen Grundhaltung gemäß diese Position schon
als höchsten „Akt“ der Vernunft (sondern nur als „Prinzip“),
noch vor allem verweist sie für die Lösung dieses Problems schon
auf die Kunst, sondern, soviel man sieht, findet sie die „Harmonie,
worin Freiheit und Natur identisch sind“, damals im sittlichen
Endzustand und im Organischen — beides Gedanken, die auch
1800 im transzendentalen Idealismus mit dem der Absolutheit
des Ästhetischen rivalisieren. Im Gegensatz zur Schrift vom Ich
nehmen dagegen die Philosophischen Briefe den ästhetischen Ge-
danken der Kritik der Urteilskraft auf und deuten die ästhetischen
Akte als „Dokument“ der Philosophie. Auch die Absicht, die
Ästhetik in diesem Sinne „bis zur Vollendung zu entwickeln“,
schimmert hier schon deutlich durch. Während also die Schrift
vom „Ich“ noch sicher vor dem kunstphilosophischen Programm
unseres Manuskriptes liegt, wäre die Ansetzung auch nach Ab-
schluß der Philosophischen Briefe wieder nur e silentio zu er-
schließen. Denn allerdings enthält das Programm nun schon den
Gedanken der objektiven Abschlußstellung der Kunst im Reiche
der Werte, der sich bisher erst für 1797 aufweisen ließ ; und während
die Philosophischen Briefe den ästhetischen Akt erst als bloße
Nachahmung des philosophischen erfaßten, begreift das Programm,
ganz wie die Abhandlungen des Winters 96 auf 97, umgekehrt
den philosophischen Geist als einen Ausfluß „ästhetischer Kraft“;
erst hier eigentlich wird die Kunst wirklich „Organon“ der Philo-
sophie. Andererseits gehen die Abhandlungen im Gegensatz zu
der Antikritik vom 26. X. schon hinter die weitreichende Fassung
des Programms, daß man in nichts geistreich sein könne „ohne
ästhetischen Sinn“, zurück und beschränken die Abhängigkeit
vom Vorhandensein ästhetischen Geists auf den Philosophen.
Wenn so durch die Kunstlehre für das Programm die Zeit der
Schrift vom Ich ausgeschlossen wird und auch hier die Abfassung
nach den „Philosophischen Briefen“ mindestens wahrscheinlich
ist, um so mehr als der Verfasser selbst die subjektive Neuheit
seiner Gedanken so stark betont, so führt nun zum gleichen Er-
gebnis auch die logisch-metaphysische Partie des Programms.
Die Erkenntnis, daß die ganze Metaphysik „künftig in die Moral
fällt", sowie die Gleichstellung der beiden Postulate Gott und
Unsterblichkeit, endlich der „schöpferische“ Akt des Ichs als
Grund der Welt und die Einzigartigkeit dieses Akts ■— alles dies
Franz Rosenzweig:
„verschwistert“ sind. Aber weder faßt sie ihrer ganzen antifich-
tisch-spmozistischen Grundhaltung gemäß diese Position schon
als höchsten „Akt“ der Vernunft (sondern nur als „Prinzip“),
noch vor allem verweist sie für die Lösung dieses Problems schon
auf die Kunst, sondern, soviel man sieht, findet sie die „Harmonie,
worin Freiheit und Natur identisch sind“, damals im sittlichen
Endzustand und im Organischen — beides Gedanken, die auch
1800 im transzendentalen Idealismus mit dem der Absolutheit
des Ästhetischen rivalisieren. Im Gegensatz zur Schrift vom Ich
nehmen dagegen die Philosophischen Briefe den ästhetischen Ge-
danken der Kritik der Urteilskraft auf und deuten die ästhetischen
Akte als „Dokument“ der Philosophie. Auch die Absicht, die
Ästhetik in diesem Sinne „bis zur Vollendung zu entwickeln“,
schimmert hier schon deutlich durch. Während also die Schrift
vom „Ich“ noch sicher vor dem kunstphilosophischen Programm
unseres Manuskriptes liegt, wäre die Ansetzung auch nach Ab-
schluß der Philosophischen Briefe wieder nur e silentio zu er-
schließen. Denn allerdings enthält das Programm nun schon den
Gedanken der objektiven Abschlußstellung der Kunst im Reiche
der Werte, der sich bisher erst für 1797 aufweisen ließ ; und während
die Philosophischen Briefe den ästhetischen Akt erst als bloße
Nachahmung des philosophischen erfaßten, begreift das Programm,
ganz wie die Abhandlungen des Winters 96 auf 97, umgekehrt
den philosophischen Geist als einen Ausfluß „ästhetischer Kraft“;
erst hier eigentlich wird die Kunst wirklich „Organon“ der Philo-
sophie. Andererseits gehen die Abhandlungen im Gegensatz zu
der Antikritik vom 26. X. schon hinter die weitreichende Fassung
des Programms, daß man in nichts geistreich sein könne „ohne
ästhetischen Sinn“, zurück und beschränken die Abhängigkeit
vom Vorhandensein ästhetischen Geists auf den Philosophen.
Wenn so durch die Kunstlehre für das Programm die Zeit der
Schrift vom Ich ausgeschlossen wird und auch hier die Abfassung
nach den „Philosophischen Briefen“ mindestens wahrscheinlich
ist, um so mehr als der Verfasser selbst die subjektive Neuheit
seiner Gedanken so stark betont, so führt nun zum gleichen Er-
gebnis auch die logisch-metaphysische Partie des Programms.
Die Erkenntnis, daß die ganze Metaphysik „künftig in die Moral
fällt", sowie die Gleichstellung der beiden Postulate Gott und
Unsterblichkeit, endlich der „schöpferische“ Akt des Ichs als
Grund der Welt und die Einzigartigkeit dieses Akts ■— alles dies