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Rosenzweig, Franz; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1917, 5. Abhandlung): Das älteste Systemprogramm des deutschen Idealismus: ein handschriftlicher Fund — Heidelberg, 1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.37638#0038
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38

Franz Rosenzweig:

junge Idealist im sicheren Besitz seiner Grundlagen; Logik zwar,
das „vollständige System aller Ideen“, und Philosophie der Ge-
schichte erscheinen auch hier innerhalb ihrer übergreifenden Ge-
biete, Metaphysik und Ethik, mit den wuchtigen Vorzeichen eines
Futurums; auch hier sieht er Aufgaben, Aufgaben freilich, die
nachher er selber nur tastend, und erst ein anderer im großen Stil
angegriffen hat, — ein anderer, dem er eben damals zurief: er
glaube es von ihm fordern zu dürfen, daß er sich „auch öffentlich“'
an die gute Sache anschließe; darauf komme es an, „von ver-
schiedenen Seiten her dasselbe Werk zu betreiben — nicht auf
Einem, sondern auf verschiedenen Wegen dem Ziel entgegen-
zugehen, überall aber gemeinschaftlich zu handeln übereinzu-
kommen, und der Sieg ist gewonnen“ (an Hegel Januar 96). Ihm
selber aber zeichnen sich am hellsten doch die drei Gebiete ab,
die er selbst anbauen wird und deren Abfolge man bisher zur
Periodisierung seines Lebens benutzt hat.
Man wird das auch weiter tun dürfen. Aber man wird
fortan wissen, daß, so herrschend in den folgenden Jahren je das
natur-, dann das kunst-, endlich das religionsphilosophische Inter-
esse war, doch alle drei gleichzeitig und gleichmächtig vom Anfang
seines Durchbruches durch den „magischen Kreis“ sich ihm auf-
drängten. Sein System ist nie schlechtweg naturphilosophisch
gewesen; wenn er die Kunstphilosophie als Abschluß aufbaute,
so hat er nicht vergessen, darüber noch wie ein fernes Gebirge die
Aussicht auf die Zukunftsmythologie erscheinen zu lassen, und
von jenem Augenblick des „Durchbruchs“ an erkannte er in der
von einem höheren Geist „vom Himmel her“ geoffenbarten neuen
Religion, in der sich die idealistische Philosophie mit dem Kleide
einer neuen Mythologie umgeben würde, „das letzte größte Werk
der Menschheit“. Die Grundstimmungen haben sich verändert,
manches ist zeitweilig, manches dauernd verschwunden. Die
Naturphilosophie hat schon im Winter 1796 ihren moralistischen
Ursprung aufgegeben und den Weg eingeschlagen, der bald zur
freien spekulativen „Konstruktion“ der Natur als einer eigenen
Welt führte, deren Teil selber der Mensch ist. Die Philosophie der
Kunst blieb noch drei Jahre im Hintergrund stehen, bis sie 1799
im System des transzendentalen Idealismus nun weithin sichtbar
an ihren seit Anfang 96 ihr bereitgestellten Platz rückte. Am
spätesten folgte die Philosophie der Religion. Sie nimmt dann,
1804, gleichzeitig die mystisch-irrationalistischen Tendenzen der
 
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