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Rosenzweig, Franz; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1917, 5. Abhandlung): Das älteste Systemprogramm des deutschen Idealismus: ein handschriftlicher Fund — Heidelberg, 1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.37638#0044
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44

Franz Rosenzweig:

Zusammengehörigkeit geben mußte, denn auf den Kampf, der,
wie er es im Sommer 96 formulierte, die ,,an den Himmel ver-
schleuderten Güter" der Freiheit den Menschen zurückgewinnen
sollte, war seit Tübingen seine Hoffnung unverwandt gerichtet,
und in neuer Gestalt war dies gemeinsame Ideal des Jünglings-
alters auch der Boden der Zusammenarbeit Hegels und Schellings
in den nächsten Jenaer Jahren.
Es ist das Ideal auch des dritten dieses Tübinger Kreises:
Hölderlins. Als gemeinsamen Boden hatte Hegel es diesem gegen-
über in dem Gedicht vom August 1796 ausgesprochen. Die damals
schon in Hölderlin sich vollziehende Entfremdung vom Fichte-
schen Tatgedanken und Umkehr zum Hingegebensein an die
„Natur“ hat an einem nichts geändert : an der unverwandten Blick-
richtung über die Gegenwart hinaus in eine Zukunft, welche das
Bild der hellenischen Vergangenheit erneuen, nein überstrahlen
wird. Die Schlußseiten der Winter 96 auf 97 geschriebenen letzten
Fassung des ersten Hyperionbandes, der Ostern 97 herauskam,
haben diesem Zukunftstraum den klassischen Ausdruck gegeben.
Das Verhältnis, das Hölderlin hier, und nirgends zuvor, zwischen
Kunst, Beligion, Philosophie, zwischen Künstler- und Philo-
sophennatur aufstellte, ist schon von Haym, dann von Dilthey
und wieder von dem neuesten Erforscher des Hyperion, Zinker-
nagel, als die Wurzel von Schellings im transzendentalen Idealis-
mus ausgeführter Lehre von der „Kunst als Organ für die Auf-
fassung des göttlichen Weltgrundes“ angesprochen worden. Aber
alles, was Hölderlin hier seinen Hyperion sagen läßt -— „das erste
Kind der göttlichen Schönheit ist die Kunst . . . Der Schönheit
zweite Tochter ist Beligion. Religion ist Liebe der Schönheit“,
das dichterische religiöse Volk der Griechen wäre „ohne Dichtung
nie ein philosophisches Volk gewesen“, „der Mensch, der nicht
wenigstens im Leben einmal volle lautre Schönheit in sich fühlte, . . .
wird nicht einmal ein philosophischer Zweifler werden“, ehe das
Wesen der Schönheit, dieses „Ganzen“, „Unendlicheinigen“,
des „Einen, das sich selbst scheidet“, gefunden war, „gabs keine
Philosophie“ •— dies alles ist uns nunmehr schon aus Schellings
Programm von 96 bekannt. Und wenn Hyperion-Hölderlin auf
den zweifelnden Einwurf, was denn die Philosophie, „die kalte
Erhabenheit dieser Wissenschaft“, mit der Dichtung zu tun habe,
in genauester Übereinstimmung mit dem Schellingschen Pro-
gramm „seiner Sache gewiß“ erwidert: „die Dichtung ... ist
 
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