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Rosenzweig, Franz; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1917, 5. Abhandlung): Das älteste Systemprogramm des deutschen Idealismus: ein handschriftlicher Fund — Heidelberg, 1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.37638#0049
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Das älteste Systemprogramm des deutschen Idealismus.

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Systeme herausgehobene Stellung beansprucht, so hat er auf den
letzten, Anfang 1796 abgeschlossenen Blättern der „Briefe“ diese
Stellung des „Absoluten“ jenseits der beiden entgegengesetzten
Systemmöglichkeiten schon in einer Weise bezeichnet, die deut-
lich den Gedanken der späteren Identitätslehre vorwegnimmt. Und
dieser Erweiterung des „Prinzips“ entspricht es, daß in dem Brief
vom 20. I. 96, nach dem nicht allzuspät das Programm anzusetzen
sein dürfte, das Gegenstück zu Spinozas „Ethik“ nur noch einen
unter seinen philosophischen Plänen darstellt und daneben — ganz
wie im Programm — selbständig die Aufgaben einer Geschichts-
philosophie und einer Ästhetik getreten sind. Könnte es im Brief
noch scheinen, als ob diese Aufgaben, obwohl alle drei als philo-
sophische Aufgaben erkannt, untereinander dennoch keinen not-
wendigen Zusammenhang schüfen, so würde das Programm diesen
Schein zerstreuen. Hier ist, ob gleich dem Wortlaut nach nur die
persönliche Einheit eines Zusammenhangs wissenschaftlicher
Lebensaufgaben aufgestellt wird, das sachliche Zueinanderge-
hören dieser verschiedenen Aufgaben unbedingt vorausgesetzt.
In den Abhandlungen des Spätjahrs hat er dann den Begriff
des „Geistes“, der zugleich Subjekt und Objekt der Philosophie
ist, gefaßt und aus diesem Begriff heraus den Gedanken des
„fortschreitenden“, „progressiven“, selber „genetischen“ und
also auch in der äußeren Welt auf das „Werdende und
Lebendige“ gehenden, darin die Geschichte des Geistes wieder-
findenden Wissens entwickelt: es sind die Grundbegriffe, durch
die Hegel später jene Einheit des philosophischen Systems voll-
zogen hat.
So ergreifen wir in unserem Programm wirklich den philo-
sophiegeschichtlichen Augenblick, wo zum ersten Male das Er-
kennen der letzten Wahrheit mit dem Erkennen der gesamten
Wirklichkeit zusammengewachsen ist. Das Sein und das Seiende
ist ein einig-einziges Problem geworden, alles enthusiastische
Philosophieren über jenes, alles aphoristische über dieses zum
prinzipiell gleich unwissenschaftlichen gestempelt. Schon hier ist,
ohne daß das Wie der Lösung deutlich würde, die Aufgabe so
gesehen, wie sie Hegel später durch den Begriff der dialektischen
Methode zu erfüllen unternahm.
Dieser Schritt aber, durch den die Aufgabe der Philosophie
neu und doch im Zusammenhang mit ihrer ganzen bisherigen

Sitzungsberichte der Heidelb. Akad., philos.-hist. Kl. 1917. 5. Abh.

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