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Güntert, Hermann; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1917, 8. Abhandlung): Zur Herkunft und Bildung des italischen Imperfekts: eine sprachwissenschaftliche Untersuchung — Heidelberg, 1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.37641#0028
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28

Hermann Güntert:

vor allem auch auf das osk.-umbr. /-Perfekt hinweisen, dessen
Bildung mit den irischen Kondizionalfarmen eine auf-
fallende Ähnlichkeit besitzt (osk. aikda-fed leic-fed, ■tic-fed
usw., wobei selbstverständlich zu bedenken ist, daß idg. -t im Kelti-
schen sehr früh abfiel): Selbst wenn aber eine engere Verwandt-
schaft nicht angenommen werden dürfte, so bleiben die Ähnlich-
keiten der fraglichen keltischen und italischen Bildungen so groß
und bieten so zahlreiche Parallelen, daß wir die Umbildung alt-
idg. Verbalstämme durch unmittelbares Antreten von Hilfsverben
wenigstens im Prinzip bereits der italo-keltischen Sprachperiode
zuschreiben dürfen.
32. Es ist wohl anzunehmen, daß die originelle Art dieser
periphrastischen Bildung und Umbildung ursprünglich hei einer
Form zuerst eingeführt und von diesem Muster aus als bequemes
Mittel auch in anderen Fällen angewandt wurde, wo es eine neue
Tempusbildung zu schaffen galt. Es ist mir sehr wahrscheinlich,
daß die Umgestaltung der alten Wurzelaoriste das älteste war:
einmal ist bekannt, daß der „Aorist-Präsenstypus“ einer der wich-
tigsten im idg. Verbum war, „weil sich aus ihm die verschiedensten
Formen entwickelt haben“ (Hirt Handb. d. gr. L. u. F.2 512,
§ 417). Dazu kommt, daß sich nur so die Stammesverhältnisse des
italischen Imperfekts befriedigend erklären lassen: wir verstehen
jetzt ohne weiteres, warum in der 3. Konjugation der Unterschied
zwischen Imperfektstamm und Verbalstamm (age-bat : age-re)
herrscht im Gegensatz zu den Formen der anderen Konjugationen;
aber zugleich ist uns dabei verständlich, daß bei maßgebenden
Verben der 1. und 2. Konjugation „Aoristbasis“ und Verbalstamm
zusammenfielen, z. B. stä-bal : ecTi]v, dor. scjtöcv, torre-bat : gr.
s-TspaT), ple-bat : gr. n\rrxo. Für das Sprachgefühl erscheint
dann natürlich -bam in diesen Fällen einfach an den Präsens- und
allgemeinen Verbalstamm angetreten, was für Neubildungen von
größter Wichtigkeit war. Daher begreift man däbam und osk.
ju-fans anstatt *fuefans, vgl. lat. jue-re, gr. I<putj und das spätere,
vulgärlateinische Paradigma von fui, das nach dem Zeugnis der
romanischen Sprachen *fusti, *fut, *fumus, *fustis, *furunt lautete.
Die Umgestaltung der alten Wurzelaoriste war deswegen nötig
geworden und veranlaßt, weil der alte idg. thematische Konjunktiv
als Futurum verwandt worden war, dessen alte Abtönung (vgl.
gr. ccytogsv ^ lat. agemus, aycoat, ^ agent) zugunsten einheitlichen
 
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