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Preuschen, Erwin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1918, 15. Abhandlung): Untersuchungen zum Diatessaron Tatians — Heidelberg, 1918

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https://doi.org/10.11588/diglit.37677#0010
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10

Erwin Preuschen :

weiteres als richtig erwiesen ist. Leider ist damit so ziemlich
alles gesagt, was sich über die Zeitverhältnisse ermitteln läßt.
Das einzige Denkmal, das uns aus der Feder Tatians im ganzen
erhalten ist, die „Rede gegen die Griechen“, eine leidenschaftliche
und von echt orientalischem Überlegenheitsgefühl gegenüber der
gesamten abendländischen Kulturwelt erfüllter Erguß, gibt keine
festen Handhaben, um sie zeitlich einzuordnen. Man streitet dar-
über, ob die Art der Erwähnung Justins (c. 19) darauf schließen
lasse, daß dieser bei Abfassung der AVorte bereits tot gewesen sei,
oder ob sie noch seine Wirksamkeit voraussetze.20) AVer die AA7orte
unbefangen liest, wird schwerlich auf die Vermutung kommen, daß
Tatian. hier den Nachruf auf einen Verstorbenen schreibt. Man
würde wahrscheinlich auch gar nicht auf diese Meinung ver-
fallen sein, wenn nicht Eusebius in seinemBemühen, chronologisch
und synchronistisch brauchbare Anhaltspunkte zu gewinnen, die
Bemerkung auf den Tod Justins bezogen hätte (h. e. IV 66, 8f.).
Ist das falsch, so ist die Rede noch vor c. 165 abgefaßt. Eine ge-
nauere Bestimmung ist ebensowenig möglich, wie Rückschlüsse
auf das Alter des Alerfassers bei ihrer Abfassung statthaft sind.21)
Wir müssen uns damit begnügen, zu sagen, daß Tatian um die
Mitte des 2. Jahrhunderts in Rom der Schule Justins angehörte
und in dieser als ein Herold der „barbarischen Philosophie“ eine
selbständige Wirksamkeit entfaltet hat.
Es war die Zeit, in der sich unter der milden Herrschaft des
Antomnus Pius ein außerordentlich1 reges, auch an Kämpfen Und
Stürmen reiches geistiges Leben in der römischen Kirche ent-
wickelte. Das Christentum, zunächst nur als eine Sondermeinung
der jüdischen Religion in die Erscheinung getreten und unter
20) Für ersteres ist Hilgenfeld (Zeitschr. f. wiss. Th. 26, 1883, 38 ff.) und
Funk, Kirchengesch. Abh. u. Unters. II (1899), S. 142 ff. eingetreten; letzteres ist
die Meinung von Zahn, Tatians Diatess. 1881, S. 268 ff. und Harnack, Chronol.
d. altchr. Lit. II, 1, 1897, S. 284 ff. Bardenhewer, Gesch. d. altkirchl. Lit. 12,
1913, S. 264. 270 hat sich an Hilgenfeld und Funk angeschlossen.
21) Zahn, dessen umsichtige Erörterung der Chronologie Tatians (Tatians
Diatessaron, S. 272 ff.) auch heute noch nicht überholt ist, ist der Versuchung
erlegen, „mittlere Zahlen“ für den Lebensgang aufzustellen »und hat demgemäß
die Geburt Tatians um 110 gesetzt. Wir wissen einfach gar nichts darüber und
können auch nicht annähernd ausmachen, in welchem Jahr der Übertritt Tatians
erfolgte, wie lange danach die Rede geschrieben ist, und noch viel weniger, wie
alt Tatian bei der Abfassung war. Es ist viel richtiger, das Nichtwissen einzu-
gestehen, als die Lücken unserer Kenntnisse mit Zahlen auszufüllen, die nur
Spielerei sind,
 
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