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Erwin Preuschen:
deutung und ihren Folgen von einem Mann wie Hermas nicht
entfernt begriffen werden konnte.24)
In diesem Kampf der Geister, wie ihn das Auftreten Valentins
und Markions in Rom heraufbeschwor, hat sich auch die Schule
Justins betätigen müssen. Die Abhandlung, die Justin gegen alle
Ketzereien verfaßt hat, und auf die er sich gelegentlich selbst be-
ruft25), darf wohl als der schriftstellerische Niederschlag der Aus-
einandersetzungen seiner Schule mit denen der Gnostiker be-
trachtet werden. Wenn Justin an dieser Stelle zwar von dem
Magier Simon, als dem Ursprung aller Ketzerei, von Menander,
dem Schüler des Simon, und von Markion redet, ohne Valentins
Erwähnung zu tun, so läßt das darauf schließen, daß entweder
Valentin damals in Rom noch keine AVirksamkeit entfaltet hatte,
oder daß diese AVirksamkeit noch nicht als häretisch empfunden
worden ist. Letzteres wird man nicht für unmöglich halten, wenn
man die dürftigen Restchen der Schriften dieses zweifellos her-
vorragenden Mannes unbefangen liest, ohne sich durch die aus
seiner Schule hervorgegangenen Kommentare irre machen zu
lassen, in Verbindung mit denen uns Clemens Alexandrinus diese
kostbaren Bruchstücke aufbewahrt hat.26) Keines von ihnen be-
wegt sich in den absonderlichen und verschrobenen Gedanken-
gängen, die das Kennzeichen des späteren Gnostizismus bilden,
und die Predigten möchten nach den erhaltenen Proben kaum
24) Wenn Hermas (Sinn IX 22) ein Bild von Lehrern entwirft, die übel-
belehrt und hochfahrend nur sich selbst gelten lassen, die alles zu wissen meinen
und doch nichts wissen, die vor Aufgeblasenheit die rechte Einsicht verloren
haben, so könnte man versucht sein, diese Zeichnung als das Porträt Tatians in
den Farben des Hermas anzusehen. Aber dem zeitlebens in kümmerlicher Enge
steckengebliebenen Propheten wird wohl jeder dieser christlichen Philosophen als
Hochmutspinsel erschienen sein und vielleicht nicht einmal mit Unrecht. Das
unbehilfliche Gestammel dieses von seinem Kleinkram zur Schriftstellerei gelangten
Mannes mochte den aus allen Ölkrügen der Philosophie gesalbten Gelehrten kaum
der Beachtung wert erscheinen. Und doch ist dieser armselige Literat sich be-
wußt, für die ganze Kirche zu schreiben, und die Kirche hat dankbar seine Worte
aufbewahrt und die gelehrten Systeme seiner Gegner untergehen lassen.
25) Apol. I 26, 8: εστι be ήμΐν καί σύνταγμα κατά πασών των γεγενημένων
αιρέσεων συντεταγμενον, ω εί βουλεσΟε έντυχεΐν, δώσομεν.
26) Mein Nachweis dieses Sachverhalts (Art. Valentinus in der Real.-Enzyklop.
f. Theol. u. K. 3 20, 1908, S. 399 ff.) ist, soweit ich sehe, unbeachtet geblieben.
Um so willkommener ist mir, daß Bousset, ohne ihn zu kennen, dieselbe Beob-
achtung gemacht hat; s. Jüd. und christl. Schulbetrieb in Alexandria [Forschungen
N. F. 6] 1915, S. 270 f.
Erwin Preuschen:
deutung und ihren Folgen von einem Mann wie Hermas nicht
entfernt begriffen werden konnte.24)
In diesem Kampf der Geister, wie ihn das Auftreten Valentins
und Markions in Rom heraufbeschwor, hat sich auch die Schule
Justins betätigen müssen. Die Abhandlung, die Justin gegen alle
Ketzereien verfaßt hat, und auf die er sich gelegentlich selbst be-
ruft25), darf wohl als der schriftstellerische Niederschlag der Aus-
einandersetzungen seiner Schule mit denen der Gnostiker be-
trachtet werden. Wenn Justin an dieser Stelle zwar von dem
Magier Simon, als dem Ursprung aller Ketzerei, von Menander,
dem Schüler des Simon, und von Markion redet, ohne Valentins
Erwähnung zu tun, so läßt das darauf schließen, daß entweder
Valentin damals in Rom noch keine AVirksamkeit entfaltet hatte,
oder daß diese AVirksamkeit noch nicht als häretisch empfunden
worden ist. Letzteres wird man nicht für unmöglich halten, wenn
man die dürftigen Restchen der Schriften dieses zweifellos her-
vorragenden Mannes unbefangen liest, ohne sich durch die aus
seiner Schule hervorgegangenen Kommentare irre machen zu
lassen, in Verbindung mit denen uns Clemens Alexandrinus diese
kostbaren Bruchstücke aufbewahrt hat.26) Keines von ihnen be-
wegt sich in den absonderlichen und verschrobenen Gedanken-
gängen, die das Kennzeichen des späteren Gnostizismus bilden,
und die Predigten möchten nach den erhaltenen Proben kaum
24) Wenn Hermas (Sinn IX 22) ein Bild von Lehrern entwirft, die übel-
belehrt und hochfahrend nur sich selbst gelten lassen, die alles zu wissen meinen
und doch nichts wissen, die vor Aufgeblasenheit die rechte Einsicht verloren
haben, so könnte man versucht sein, diese Zeichnung als das Porträt Tatians in
den Farben des Hermas anzusehen. Aber dem zeitlebens in kümmerlicher Enge
steckengebliebenen Propheten wird wohl jeder dieser christlichen Philosophen als
Hochmutspinsel erschienen sein und vielleicht nicht einmal mit Unrecht. Das
unbehilfliche Gestammel dieses von seinem Kleinkram zur Schriftstellerei gelangten
Mannes mochte den aus allen Ölkrügen der Philosophie gesalbten Gelehrten kaum
der Beachtung wert erscheinen. Und doch ist dieser armselige Literat sich be-
wußt, für die ganze Kirche zu schreiben, und die Kirche hat dankbar seine Worte
aufbewahrt und die gelehrten Systeme seiner Gegner untergehen lassen.
25) Apol. I 26, 8: εστι be ήμΐν καί σύνταγμα κατά πασών των γεγενημένων
αιρέσεων συντεταγμενον, ω εί βουλεσΟε έντυχεΐν, δώσομεν.
26) Mein Nachweis dieses Sachverhalts (Art. Valentinus in der Real.-Enzyklop.
f. Theol. u. K. 3 20, 1908, S. 399 ff.) ist, soweit ich sehe, unbeachtet geblieben.
Um so willkommener ist mir, daß Bousset, ohne ihn zu kennen, dieselbe Beob-
achtung gemacht hat; s. Jüd. und christl. Schulbetrieb in Alexandria [Forschungen
N. F. 6] 1915, S. 270 f.