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Preuschen, Erwin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1918, 15. Abhandlung): Untersuchungen zum Diatessaron Tatians — Heidelberg, 1918

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https://doi.org/10.11588/diglit.37677#0048
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48

Erwin Preuschen:

m 6, 8. L 9, 3. Heb 1, 8. 9, 4 als Übersetzung von ράβδος ver-
wendet.92) Daraus ergibt sich, daß beide Worte nur Ersatz für
ράβδος zu sein scheinen, daß daher die Textdifferenz nur auf dem
Boden der syrischen, nicht aber der griechischen Sprache zum Aus-
druck kommen konnte. Daraus wäre dann weiter zu folgern, daß
das Diatessaron nur syrisch vorhanden war.93)
So einleuchtend diese Beweisführung zunächst zu sein scheint,
so wenig stichhaltig ist sie bei genauerer Prüfung. Denn wenn
Tatian für ράβδος eine syrische Doppelübersetzung einführte, um
damit den Widerspruch der Evangelien auszugleichen, so kann er
doch ebensogut ein Synonym von ράβδος im Griechischen gebraucht
haben, indem er den Wechsel von υπόδημα und σανδάλιον auf die
„Stütze“ übertrug. Soviel Sprachgewandtheit darf man ihm ohne
Bedenken Zutrauen, daß es ihm nicht schwer wurde, ein solches
Synonym zu finden.94) Eine Rückübersetzung in das Griechische,
die nebeneinanderstellt μηδε υποδήματα μηδε ράβδον, αλλά βακτηρίαν
μόνον και σανδάλια ύποδεδημένους, wird sich vielleicht von dem, was
bei Tatian zu lesen stand, nicht allzuweit entfernen. Dabei ist
vorausgesetzt, daß als das leichtere ράβδος widergibt, dieses
aber als Zeichen der Herrschaft oder Würde gefaßt war, während
= βακτηρία den derberen Stock als das Zeichen des Wan-
derers bezeichnet. Ebenso ist es mit υποδήματα, die nur von den
Vornehmen getragen werden, während sich die einfachen Leute

• 92) Im arabischen Diatessaron c. 12 (Ciasca p. i\) ist der Unterschied treu
festgehalten.· L~ä3 )1\ „sondern nur einen kurzen Stecken“ und nachher:
Cac- „und keinen Stab“. Auch hier entspricht dem griechischen ράβδος.
U;^.5 ist der abgeschnittene Zweig, die Gerte. Wie sich der Araber das vorgestellt
haben mag, ist zweifelhaft. Ihm kommt es auch nur auf den Unterschied der
Worte an.
93) Für Zahn („Evangelienharmonie“ in Herzog-Haucks Realenzyklopädie f.
Theol. u. Kirche V, 190, S. 657, 2) ist der Beweis „handgreiflich“. Wäre Zahn
nicht von vornherein von dem syrischen Ursprung des Diatessarons überzeugt,
so würde es seinem Scharfsinn nicht entgangen sein, daß dieser handgreifliche
Beweis dennoch trügt,
91) Ein umgekehrtes Beispiel bietet der Araber J 1, 20, wo seine Vorlage, die
Pesitta, hat: rvAa „itoKfo 'und er gestand und leugnete nicht und
gestand’ genau dem Griechen entsprechend: καί ώμολόγησεν καί ούκ ήρνήσατο
καί ώμολόγησεν. Der Araber hat (Ciasca p. U): ,JJUU ^j ß\j 'und er
gestand und leugnete nicht und bekannte’. Er wechselt also dreimal mit dem
Verbum und übersetzt ώμολόγησεν einmal mit }l, einmal mit 0JU-1. Niemand
wird auf den Gedanken kommen, daß hier ein anderer griechischer Text zu-
grunde liege.
 
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