Achiqar und Aesop.
29
Der Text der griechischen Fabel ist ziemlich abgeschmackte
Arbeit eines Rhetorenschülers, der hei syrischen Fabulatoren eine
Anleihe machte und nur den Schluß abänderte. Dagegen ist die
syrische Fabel in sich geschlossen und beruht wie Smend nach-
weist, auf alten orientalischen Opferbräuchen. Auf die Wertung
der orientalischen Fabel, die Smend aus Flosea 5 herleitet, gehe
ich nicht ein, bemerke nur, daß seine Bemerkung, der griechischen
Fabeldichtung sei Personifikation des Leblosen fremd, nicht zu-
trifft — vgl. unter den Aesopicis 125. 173. 192. 264. 306. 313. 370.
381.
Dieses also sind nach meiner Meinung die drei einzigen Stücke
bei Achiqar, wo die Beziehungen zu den Aesopicis so eng sind, daß
ein Abhängigkeitsverhältnis anerkannt werden muß. Und zwar
scheint mir in zwei Fällen das Griechische das Original gestellt zu
haben, in einem das Syrische.
Von den Fällen, wo Smend eine Abhängigkeit Aesops von
Achiqar erkennen will, während ich bei der „Ubiquität“ der Fabel
selbständige Gestaltung im Orient wie in Hellas annehme, behandle
ich zunächst
8. Ach. Syr. 120 (Smend S. 83); Aes. 14 (1).
Es handelt sich hier um eine Stelle des Achiqarromans, aus
der Smend die Aesopfabel herzuleiten sucht. Im Achiqar- und da-
nach auc h im Aesoproman — fragt der ägyptische König den Achi-
qar, bez. den Aesop: „Erkläre mir, wie verhält sich folgende Sache:
Der Hengst deines Herrn wiehert in Assyrien und es hören seine
Stimme unsere. Stuten hier und tun Fehlgeburten.“ Damit wer-
den, wie Smend bemerkt, in ganz witziger Weise die frivolen
Kriegsvorwäiide des streitbaren Ägypters illustriert. Achiqar
pariert die Herausforderung, indem er eine heilige Katze fängt und
sie prügelt mit der Begründung, sie sei in der Nacht nach Ninive
gelaufen und habe seinem Hahn den Kopf abgebissen. Der aber
habe die wunderbare Gabe besessen, dann zu krähen, wenn der
König Sennacherib den Wunsch gehabt habe, seinen Vezier Achiqar
zu sprechen. Auf den Vorhalt, das sei bei den 360 Parasangen
von Ägypten nach Assür doch unsinniges Gerede, entgegnet er,
gerade so verhalte es sich mit dem Wiehern der assyrischen Hengste
und der Befruchtung der ägyptischen Stuten.
Hierzu vergleicht Smend die Fabel Aes. 14 αίλουρος συλλαβών
άλεκτρυόνα τοϋτον εβονλετο μετ' εύλογον αίτιας καταϋοίνήσασ&αι.
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Der Text der griechischen Fabel ist ziemlich abgeschmackte
Arbeit eines Rhetorenschülers, der hei syrischen Fabulatoren eine
Anleihe machte und nur den Schluß abänderte. Dagegen ist die
syrische Fabel in sich geschlossen und beruht wie Smend nach-
weist, auf alten orientalischen Opferbräuchen. Auf die Wertung
der orientalischen Fabel, die Smend aus Flosea 5 herleitet, gehe
ich nicht ein, bemerke nur, daß seine Bemerkung, der griechischen
Fabeldichtung sei Personifikation des Leblosen fremd, nicht zu-
trifft — vgl. unter den Aesopicis 125. 173. 192. 264. 306. 313. 370.
381.
Dieses also sind nach meiner Meinung die drei einzigen Stücke
bei Achiqar, wo die Beziehungen zu den Aesopicis so eng sind, daß
ein Abhängigkeitsverhältnis anerkannt werden muß. Und zwar
scheint mir in zwei Fällen das Griechische das Original gestellt zu
haben, in einem das Syrische.
Von den Fällen, wo Smend eine Abhängigkeit Aesops von
Achiqar erkennen will, während ich bei der „Ubiquität“ der Fabel
selbständige Gestaltung im Orient wie in Hellas annehme, behandle
ich zunächst
8. Ach. Syr. 120 (Smend S. 83); Aes. 14 (1).
Es handelt sich hier um eine Stelle des Achiqarromans, aus
der Smend die Aesopfabel herzuleiten sucht. Im Achiqar- und da-
nach auc h im Aesoproman — fragt der ägyptische König den Achi-
qar, bez. den Aesop: „Erkläre mir, wie verhält sich folgende Sache:
Der Hengst deines Herrn wiehert in Assyrien und es hören seine
Stimme unsere. Stuten hier und tun Fehlgeburten.“ Damit wer-
den, wie Smend bemerkt, in ganz witziger Weise die frivolen
Kriegsvorwäiide des streitbaren Ägypters illustriert. Achiqar
pariert die Herausforderung, indem er eine heilige Katze fängt und
sie prügelt mit der Begründung, sie sei in der Nacht nach Ninive
gelaufen und habe seinem Hahn den Kopf abgebissen. Der aber
habe die wunderbare Gabe besessen, dann zu krähen, wenn der
König Sennacherib den Wunsch gehabt habe, seinen Vezier Achiqar
zu sprechen. Auf den Vorhalt, das sei bei den 360 Parasangen
von Ägypten nach Assür doch unsinniges Gerede, entgegnet er,
gerade so verhalte es sich mit dem Wiehern der assyrischen Hengste
und der Befruchtung der ägyptischen Stuten.
Hierzu vergleicht Smend die Fabel Aes. 14 αίλουρος συλλαβών
άλεκτρυόνα τοϋτον εβονλετο μετ' εύλογον αίτιας καταϋοίνήσασ&αι.