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Neckel, Gustav; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1918, 7. Abhandlung): Studien zu den germanischen Dichtungen vom Weltuntergang — Heidelberg, 1918

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https://doi.org/10.11588/diglit.37669#0019
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Studien zu den gern. Dichtungen vom Weltuntergang.

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ist. Aber der Sinn dieser Angaben kann trotzdem, nicht zweifel-
haft sein. Es gibt nur einen Auszug der versammelten Götter
zum Kampfe: den beim Ragnarök. Freyr galt also als Anführer
des Götterheeres in der Ragnarökschlacht auf Vigriör oder Osköpnir.
Dies stimmt aufs beste überein damit, daß er durch Surt fällt.
Denn Surt ist der Anführer der anderen Partei. Wir erhalten also
ein einfaches, wohlgegliedertes Bild: die gegeneinander rückenden
Scharen und den Zweikampf der Führer, der das Ganze entscheiden
wird, und zwar in tragischem Sinne für Freyr und die Seinen,
weil der Feind das Schwert des Gottes besitzt.
Der Schwerpunkt dieser Sage liegt, wie zu erwarten, durchaus
in dem Zusammenstoß der Führer nebst seiner Vorgeschichte.
Die anderen Kämpfer handeln nur als Masse. Ihr Schicksal ist
mit dem der Führer entschieden. Also haben die Geschichten
von Odins und Thors Fall und von Vidars und Thors Helden-
taten in diesem Zusammenhänge keinen Platz. Das ist einer der
Gründe dafür, warum in der Völuspä, die diese Geschichten in
den Mittelpunkt stellt, der Freymythus so stark verdunkelt ist.
Freyr mußte aber hier und in der ganzen Überlieferungskette,
der die Völuspä angehört, vor allem deswegen zurücktreten, weil
seine Heerführerrolle der Herrscherstellung Odins widersprach.
Odin erscheint schon in den Eirlksmäl als der weise, vorsorgende
Gott, der Streiter sammelt für den Kampf gegen den Wolf. In
den Grimnismäl wird geschildert, wie die unübersehbaren Scharen
von Odins Gefolge aus Walhall ausziehen, um gegen den Wolf zu
kämpfen. Die Völuspä und Snorri wissen, daß er dem Wolfe
erliegt. Dieser Kampf Odins an der Spitze der Einherier gegen
den Wolf und seine Genossen ist eine Parallele oder Variante zu
dem Kampf Freys an der Spitze des Götterheeres1 gegen Surt
und die Seinen. Sie schließen einander aus, denn die Ragnarök-
schlacht ist nur eine, und ihre Parteien können nur je einen Führer
haben. Seit Odin als Götterherrscher galt, mußte der Frev-
mvthus in dem Maße an Boden verlieren, als diese Geltung Odins
sich durchsetzte2. Der Freymythus kann nicht inmitten des ent-
wickelten Odinsglaubens entstanden sein. Er muß anderer Her-
kunft sein. So ist ohne Frage auch Surt ganz anderer Herkunft
als Fenrir.
1 Über die Identität von Göttern und Einheriern vgl. Verf.. Walhall
(1913) S. 68ff.
2 Vgl. Mogk, Mythologie S. 91.
 
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